Plattform Klimaneutrales Stromsystem: Flexibilitäten stärken – aber wie?

Wippe mit Kugeln - Symbol für Gleichgewicht im Stromsystem.Foto: fotogestoeber / stock.adobe.com
Das Gleichgewicht im Stromsystem jederzeit zu erhalten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.
Wie man die Flexibilitäten im Stromsystem und die Energiewende insgesamt am besten finanziert, diskutierten verschiedene Stakeholder gestern im Rahmen der „Plattform Klimaneutrales Stromsystem“. Während sich BEE und BWE weitgehend einig sind, hat der BDEW andere Vorstellungen.

Wind- und Solarstrom sollen in Zukunft die wichtigsten Stromerzeuger in Deutschland werden. Doch das bisherige Marktdesign bietet zu wenig Anreiz, zugleich die Stromlieferung mit der Nachfrage in Deckung zu bringen. Technologisch gibt es für die sogenannten Flexibilitäten viele Optionen, doch im heutigen Stromsystem sind sie meist wenig rentabel. Die Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) hat Anfang August ein sogenanntes Optionenpapier vorgelegt, wie auch der Solarserver berichtete. Darin sind mögliche Strategien erörtert. Gestern fand eine Plenarsitzung der Plattform Klimaneutrales Stromsystem stat.

BEE: Brüche im Stromsystem vermeiden

Die Verbände der erneuerbaren Energien setzen darauf, das bisherige Fördermodell für Erneuerbare im Grundsatz beizubehalten und lediglich zu modifizieren. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE), warnt vor zu starken Brüchen. „Die gleitende Marktprämie hat sich bewährt. Mit Blick auf das Optionenpapier des BMWK ist hierfür ein produktionsabhängiges Finanzierungsmodell mit Marktwertkorridor und mit realer statt fiktiver Erlösabschöpfung die beste Wahl“, sagt Peter.

Gibt es so viel Strom, dass die Preise negativ sind, erhalten auch Wind- und Solaranlagen keine Vergütung aus dem EEG mehr. Das setzt einen Anreiz, die Strommengen zu Zeiten mit höherer Nachfrage zu verlagern, reißt aber ein Loch in das Finanzierungsmodell der Anlagenbetreiber. Der Bundesverband Erneuerbare Energien plädiert daher für die Umstellung auf eine sogenanntes mengenbasiertes Modell. Die Betreiber sollen weiter eine sichere EEG-Vergütung erhalten, aber nicht mehr für 20 Jahre Betriebsdauer, sondern für eine bestimmte Strommenge. Das reduziere Risiken und senke damit die Finanzierungskosten, so der BEE. „Gesicherte Finanzierung und Bankability sind Grundvoraussetzung zur Vermeidung von Systembrüchen“, sagt Peter.

Sie betont, dass auch heimische erneuerbare Energien und Speicher Flexibilität bereitstellen können. Explizit nennt sie Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie, Speicher sowie die Sektorenkopplung in Form von Elektrolyseuren und Power2Heat. Dazu brauche es ein „Level Playing Field, das die Besonderheiten und Stärken der Erneuerbaren berücksichtigt. Dieses sieht sie in der Kombination aus zentralem und dezentralem Kapazitätsmechanismus verwirklicht. Peter verweist zudem auf die Studie Klimaneutrales Stromsystem des BEE.

BWE: Flexibilitäten im Stromsystem durch Bürokratie-Abbau stärken

Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbandes Windenergie (BWE), betont, dass die Windenergie mittlerweile 33 % zum Strommix beitrage. Die Ausbaudynamik der Wind- und Solarenergie fortzusetzen, sei auch für den Industriestandort Deutschland essenziell. „Es braucht zweifelsohne eine Weiterentwicklung und marktliche Orientierung des Absicherungssystems“, sagt Heidebroek. Dabei plädiert auch sie für eine Weiterentwicklung aus dem heutigen EEG heraus. Die EU-Anforderungen, die Absicherung der erneuerbaren Energien mit einem Contract-for-Difference zu gestalten, lasse sich auf diesem Wege umsetzen.

Ein Systemwechsel könne hingegen dazu führen, dass über Monate keine Windenergie-Anlagen mehr gebaut würden. In dieser Legislaturperiode sieht Heidebroek dabei vor allem eine intensive Diskussion, um ein weiterentwickeltes System in der nächsten Legislaturperiode umsetzungsreif zu machen. Die Politik dürfe die Branche nicht mit „unausgegorenen Debatten“ verunsichern. Stattdessen müssten Flexibilitäten wie Speicher, Elektrolyseure und Power to Heat aus der Branche heraus umsetzbar sein. „Wir wollen in Flexibilisierungstechnologien investieren. Dafür braucht es jetzt einen Abbau von Bürokratie und Hemmnissen“, so Heidebroek.

„Bereitschaftsdienst“ für Strommarkt ausschreiben: BDEW schlägt Integrierten Kapazitätsmarkt vor

Der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) setzt hingegen auf stärkere Änderungen. „Wir kommen nun in eine Phase, in der der Strommarkt einer Anpassung bedarf“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Für ein stabiles und klimaneutrales Stromsystem brauche es Investitionen in H2-ready-Kraftwerke, Speicher und Flexibilitäten, und zwar rechtzeitig und am richtigen Ort. Zudem müsse das Marktmodell Komplexität minimieren und „europaweit anschlussfähig“ sein. Das vom BDEW präferierte Modell ist ein „Integrierter Kapazitätsmarkt“. Laut BDEW würden dabei alle Technologien und Lösungen berücksichtigt, um das volkswirtschaftliche Optimum technologieoffen realisieren zu können.

Einen Zertifikatehandel, wie ihn das Bundeswirtschaftsministerium zurzeit vorsehe, sollte es dabei aus Sicht des BDEW nicht geben. Dieser sei zu aufwändig. Stattdessen setzt der BDEW auf zentrale Ausschreibungen. Diese sollen „technologieneutral“ sein. Daher könnten sich auch erneuerbare und Flexibilitäts-Lösungen, wie Batteriespeicher, beteiligen können. Wolle man besondere Charakteristika wie Kraftwerksneubau, Flexibilitäten oder Speicher zu adressieren, könne man das auch innerhalb der Ausschreibungen tun. Dieser Ansatz passe auch zum Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und bestehenden Flexibilitätsanreizen.

Um den Ausbau erneuerbarer Energien weiter zu fördern und diese zugleich „systemdienlich“ einzubinden, bringt der BDEW einen Paradigmenwechsel ins Spiel. „Perspektivisch“ solle statt der Strommenge die installierte Kapazität gefördert werden. „Dafür braucht es aber noch intensive Praxiserfahrungen“, räumt Andreae ein. Einen Fadenriss dürfe es weder beim Ausbau der Erneuerbaren Energien geben noch in der Stromversorgung insgesamt.

Quelle: BEE, BWE, BDEW | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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