Mieter-PV: Solarstrom fürs Mehrfamilienaus neu gedacht
Es ist kein Mieterstrom, denn die komplexe Abrechnung fällt weg. Es ist keine Balkonsolar-Anlage, denn die Module sind auf dem Dach montiert, wo sie die größte Menge Solarstrom ernten können. Es sind auch keine Steckersolargeräte, denn sie sind fest mit dem Stromkreis verbunden. Das Mieter-PV-System, das sich Immobilienbesitzer und Maschinenbauingenieur Christian Warsch ausgedacht hat, hat noch keinen Namen. Es gibt aber immerhin ein erstes umgesetztes Projekt im Hamburger Stadtviertel Ohlsdorf – in einem Haus mit 32 Mietparteien.
Warsch, der unter anderem in einer örtlichen Solarinitiative aktiv ist, versuchte zunächst, seine Mieter für eigene Balkonkraftwerke zu gewinnen. Doch der Erfolg war bescheiden. „Wenn man eine Lösung für Balkonsolar-Anlagen finden will, die auch bei einer Montage an der Brüstung im fünften Stock aus Sicht der Versicherung einwandfrei ist, wird es ziemlich kompliziert. Beim Mieterstrom ist dagegen die Abrechnung sehr umständlich und die Messtechnik teuer“, erzählt er. Das gilt umso mehr, da das Gebäude mehrere Treppenaufgänge mit jeweils eigenem Hausanschluss hat – eine in Hamburg häufige Konstellation. „Außerdem will ich meinen Mietern ja gar keinen Strom verkaufen“, so Warsch.
32 Mieter-PV-Systeme auf dem Dach
Um die aktuellen Möglichkeiten besser zu verstehen, machte Warsch sogar eine Weiterbildung zum Solarfachberater. Das nun umgesetzte Konzept entwickelte er zusammen mit der Hamburger Initiative Soli-Solar und Holger Laudeley, einem Energiewende- und Balkonkraftwerk-Pionier. Für jede Wohneinheit sind auf dem Flachdach vier eigene Solarmodule mit jeweils 440 Watt montiert – zwei nach Osten, zwei nach Westen. Pro Mini-PV-Generator führen dementsprechend vier Leitungen vom Dach in den Keller. Dafür wird ein bisher freier Schacht genutzt. Damit es keinen zu dicken Leitungswust gibt, ist der Querschnitt mit 2,5 Quadratmillimetern eher klein gehalten.
Im Keller fließt der Solarstrom zunächst in einen Batteriespeicher mit einer Kapazität von 4,3 kWh. Zwei 800-Watt-Wechselrichter sorgen dafür, dass bis zu 1,6 kW Ausspeisung möglich sind. Angeschlossen ist die Anlage nicht direkt am Zähler, sondern an den Stromkreislauf, der die Kellerräume der jeweiligen Wohnung versorgt. „Das war wichtig, um den Bestandsschutz für die Elektroinstallation nicht zu verlieren“, erzählt Warsch. Die alten Zähler ließen die Vermieter vom Netzbetreiber noch gegen Zwei-Richtungs-Zähler tauschen, sodass die Mieter für nicht selbst genutzten Strom auch eine Einspeisevergütung beziehen können.
Vertrag wird von Energierecht-Kanzlei und Mieterverein entwickelt
Das Bezahlkonzept vereint Elemente aus Einsparcontracting und PV-Anlagenpacht. Vermieter und Mieter teilten sich die eingesparten Stromkosten zunächst „ungefähr im Verhältnis 50:50“, wie Warsch erklärt. „Das Verhältnis kann sich ändern. Der Maßstab ist dabei, dass sich die Investitionskosten für die Anlage innerhalb von 13 bis 15 Jahren amortisieren.“ Als Referenz für den Stromverbrauch sollen die Werte aus dem Jahr vor der Inbetriebnahme dienen. Die Erlöse aus der Einspeisevergütung bleiben bei den Mietern. Damit die Details der Regelung auch juristisch Bestand haben, hat Warsch den Mieterverein zu Hamburg und die auf Energierecht spezialisierte Kanzlei Rechtsanwälte Günther mit der Vertragsgestaltung beauftragt.
Mit den Mini-PV-Systemen für die Mieter waren die beiden Dachflächen des Gebäudes allerdings noch nicht voll belegt. Daher gibt es dort noch zwei weitere Solaranlagen. Eine davon, ebenfalls mit einem Speicher gekoppelt, liefert Allgemeinstrom und Betriebsstrom für das Haus. Auch hier erwiesen sich die bisherigen Abrechnungsmodelle als kompliziert, sodass Warsch gemeinsam mit den juristischen Fachleuten einen Ausweg sucht. Der Ansatz: Auf die Heizkosten des mit Fernwärme versorgten Gebäudes darf offiziell eine kleine Pauschale für Betriebsstrom aufgeschlagen werden, die für den Betrieb der Pumpen gedacht ist. Von dieser Möglichkeit will Warsch künftig Gebrauch machen.
Im Gegenzug sollen für den Allgemeinstrom keine Kosten mehr umgelegt werden. Waschmaschinen, Trockner und alles, was an den Allgemeinstrom angeschlossen ist, laufen also in Zukunft dank des Solarstroms kostenlos – zumindest, so lange es in einem normalen Maß bleibt. „Eine Sicherung gegen einen möglichen Rebound-Effekt werden wir im Vertrag einplanen“, sagt Warsch.
Warsch wünscht sich, dass das Beispiel in Hamburg und darüber hinaus Schule macht. „Wenn die Verträge fertig sind, habe ich auch nichts dagegen, sie zu veröffentlichen, sodass auch andere das Modell nutzen können“, stellt er in Aussicht.
Die dritte PV-Anlage auf dem Dach schließlich folgt einem altbekannten und schnell beschriebenen Konzept: Volleinspeisung.
Quelle: Eva Augsten | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH