Wasserstoffbeschleunigungsgesetz: Ampel will es bald beschließen

Zu sehen ist einer technische Anlage: ein WasserstoffelektrolyseurFoto: RWE
Eine Pilotanlage des RWE in Lingen.Der Wasserstoff-Elektrolyseur kommt auf eine Leistung von 18 Megwatt. Für eine Beschleunigung braucht es wesentlich mehr.
Das von der Bundesregierung vorgeschlagene Wasserstoffbeschleunigungsgesetz geht in die Zielgerade. Die Ampelkoalition will es in den kommenden Wochen beschließen.

Mit dem Wasserstoffbe­schleuni­gungsgesetz will die Bundesregierung schnell eine Infrastruktur für den Energieträger aufbauen. Analog zu Änderungen für andere Energiewende-Technologien sollen Genehmigungen leichter und schneller zu bekommen sein. Den Wasserstoff-Infrastrukturen wird dafür ein „überragendes öffentliches Interesse“ eingeräumt, mit ein paar Einschränkungen. Zum Beispiel muss es sich um grünen Wasserstoff handeln – oder zumindest um Wasserstoff, von dem der Antragsteller verspricht, dass er bis Ende 2029 zu 80 Prozent grün sein soll. Das überragende öffentliche Interesse soll aber nicht überwiegen, wenn der Wasserhaushalt oder die Versorgung „erheblich beeinträchtigt“ werden oder Landes- oder Bündnisverteidigung betroffen sein könnten.

CDU/CSU: Nur Kleinklein beim Wasserstoffbe­schleuni­gungsgesetz

Andreas Jung, Sprecher für Klimaschutz und Energie der Unionsfraktion, ist der Gesetzentwurf zu Wasserstoffbe­schleuni­gungsgesetz aber offenbar nicht ambitioniert genug. So reihe sich „der Gesetzesentwurf ins Klein-klein der Ampel in Sachen Wasserstoffhochlauf ein“. Insbesondere das Wasserstoff-Kernnetz werde nicht im nötigen Maße von dem Gesetz profitieren
Jung stützt sich dabei wohl auch auf die Expert:innen, die die Unionsfraktion zur Anhörung zum Gesetzentwurf im Bundestagausschuss für Klimaschutz und Energie am 25. September eingeladen hatte.

Barbara Fischer von der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas und Timm Kehler vom Branchenverband „Zukunft Gas“ (bis Ende 2020: „Zukunft Erdgas“) kann der Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur gar nicht schnell genug gehen. Das Wasserstoffbe­schleuni­gungsgesetz sei „nicht umfassend und nicht zielgerichtet“ genug, sagte Fischer. Sie will, dass es auch auf praktisch alles anwendbar ist, was für den Bau der Wasserstoffnetze nötig ist – bis hin zum Bau neuer Erdgasleitungen, um die alten schneller für Wasserstoff frei zu machen. Außerdem verweist sie auf die „sehr guten Erfahrungen“ mit dem LNG-Gesetz und der „Deutschlandgeschwindigkeit“.

In dieses Horn stößt auch Kehler. Er will zusätzlich noch die vorgesehenen Wasserstoffkraftwerke und Anlagen zur Herstellung von blauem Wasserstoff mit aufnehmen. Außerdem findet er, „insbesondere die im Gesetz ausgeführten Limitierungen des überragenden öffentlichen Interesses sollten noch einmal in den Fokus genommen werden“. Ob er damit den Schutz der Wasserversorgung meint, bleibt offen.

AfD: Teuer und unsicher

Viel zu viel Beschleunigung sieht dagegen die AfD im Wasserstoffbe­schleuni­gungsgesetz. Marc Bernhard, der baupolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, sagt: „Dieses Gesetz macht ja im Wesentlichen nichts anderes als wichtige Schutzvorschriften für Mensch und Umwelt, Regelungen, die eine gerechte Teilhabe der Menschen an Planungsvorhaben sicherstellen und die über Jahrzehnte sinnvollerweise hier in Deutschland aufgebaut wurden, einfach außer Kraft zu setzen.“

Und der von der AfD zur Anhörung geladene Helmut Wani­czek, ein Chemiker und Sprecher des rheinisch-bergischen Kreisverbands der AfD, betonte, Wasserstoff sei zu teuer und zu unsicher: „Wir werden die Wirtschaftlichkeit nicht verbessern. Wir werden etwas beschleunigen, was man nicht beschleunigen muss, weil es eh keine Genehmigungen gibt, weil niemand eine Genehmigung beantragt.“ Die Projekte würden schon vorher eingestellt.

Ralph Lenkert von der Gruppe Die Linke wendet sich nicht grundsätzlich gegen den Wasserstoff, ist aber skeptisch mit Blick auf die Beschleunigung. Er sieht die verkürzten Fristen angesichts des fehlenden Personals als unrealistisch an. „Wenn man weiß, wie lange die Regierung für Gesetzentwürfe braucht, sollte man nicht an diesen zwei Wochen sparen“, so Lenkert gegenüber den Solarthemen. Statt scharfer Fristen solle man lieber die Regeln zwischen den Ländern vereinheitlichen und die Digitalisierung forcieren. In Bezug auf die Wasserverfügbarkeit dürfe zudem keine Erlaubnis für einen vorzeitigen Baubeginn erteilt werden, „solange die wasserrechtlichen Fragen nicht abschließend beschieden sind“.

Beteiligung an Genehmigungsverfahren verzögert nicht

Lenkert knüpft dabei an die Argumentation des Naturschutzrings, der auf Einladung von Bündnis 90/Die Grünen zur Anhörung gekommen war. Für Alexander Kräß vom Naturschutz-Dachverband Deutscher Naturschutzring ist grüner Wasserstoff ebenfalls ein „zentraler Baustein für die Energiewende und die Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft“. Der Gesetzentwurf atme allerdings „den Geist der letzten zwei Jahre, dass der jahrzehntelange Investitionsstau an Beteiligungsverfahren läge. Das ist und bleibt Quatsch“, sagt Kräß.

Der Flaschenhals sei zu wenig Personal bei den Behörden, nicht zu viel Beteiligung. Kräß fürchtet, dass die geplante Verkürzung von Fristen zu schlechten Entscheidungen der Behörden führen würde. Er mahnt, gerade in Zeiten des Klimawandels, die Ressource Wasser besser im Blick zu haben. Bisher fehle die Datengrundlage, um das Risiko für das Grundwasser einschätzen zu können – Kräß fordert in diesem Kontext mehr Geld für umfassende Daten. Zudem fordert er einen stärkeren Fokus auf grünen Wasserstoff – spätestens bei der Genehmigung von Elektrolyseuren müsse zum Beispiel ein klarer Plan für die Versorgung mit Ökostrom vorliegen.

Obwohl das grün geführte Bundeswirtschaftsministerium für den Entwurf zu Wasserstoffbe­schleuni­gungsgesetz federführend ist, brems­ten die von der Grünen-Fraktion bestellten Sachverständigen die Euphorie pro Wasserstoff etwas ein. Karsten Specht, Vizepräsident des Verbands kommunaler Unternehmen und zugleich Geschäftsführer des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbands (OOWV), betont auch die Belange der Wasserwirtschaft. Dabei ist der OOWV selbst als Wasserversorger an einem Wasserstoffprojekt mit 6,5 GW Elektrolyseleistung beteiligt.

Wasser versus Wasserstoff

Specht spricht daher aus der Praxis eines Unternehmens, das den Spagat zwischen Belangen der Wasser- und Wasserstoffwirtschaft schaffen muss. Die vorgeschlagene Lösung: Immer weniger des für die Elektrolyseure bemötigten Wassers solle Trinkwasser sein. Stattdessen sollten die Elektrolyseure mehr und mehr auf in Kläranlagen zurückgewonnenes Brauchwasser zurückgreifen.

Dieses müsse dann allerdings eine intensive Aufbereitung durchlaufen und es bleibe ein Konzentrat mit allen im Elektrolyseur nicht erwünschten Stoffen zurück. Specht fordert daher, dass die Erleichterungen nach dem Wasserstoffbeschleunigungsgesetz auch für diese Anlagen gelten sollen. Das müsse schnell erfolgen, denn sonst würden die Investoren sich letztlich gegen diese Projekte entscheiden. „Das ist sehr ausdrücklich“, sagt er.

Zudem soll nach Aussage von Specht das pauschale überwiegende Interesse zugunsten des Wasserstoffs entfallen, sobald Wasserversorgung oder Wasserhaushalt überhaupt beeinträchtigt sind. Er schlägt vor, dieses „erheblich“ zu streichen. So kämen Wasser und Wasserstoff wieder zu einer Abwägung auf Augenhöhe.

FDP Mit Wasserstoffbe­schleuni­gungsgesetz voll im Element

Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sieht seine Partei mit dem Gesetz voll in ihrem Element. „Für uns als Freie Demokraten ist konsequente Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung zentraler Bestandteil der notwendigen Wirtschaftswende.“ In den weiteren Verhandlungen will die FDP-Fraktion dafür sorgen, „dass die volle Beschleunigungswirkung für alle As­pekte der Wasserstoff-infrastruktur und damit in der gesamten Wertschöpfungskette wirkt.“

Für Andreas Rimkus, Wasserstoffbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion, markiert der Gesetzentwurf „einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft“. Er will damit eine Verdopplung des Ausbauziels der heimischen Elektrolysekapazitäten erreichen. Seine Fraktion hatte Werner Diwald vom Deutschen Wasserstoff-Verband (DWV) und Fabian Faller von der Firma GP Joule als Sachverständige benannt. Beide begrüßen den Gesetzentwurf mit Nachdruck. Besonders gut kommt bei ihnen das „überragende öffentliche Interesse“ an. Diwald spricht von „einer Chance, die Dynamik bei der inländischen Produktion von Wasserstoff zu beschleunigen und grundsätzlich zu schaffen“. Beide sagen aber auch: Dafür muss mehr Geld her, und zwar kontinuierlich.

Beschleunigung für Peripherie

Sowohl Diwald als auch Faller wünschen sich vom Wasserstoffbeschleunigungsgesetz, dass es für weitere Anlagentypen gilt: Anlagen, die den Wasserstoff ins künftige Kernnetz ein­spei- sen sollen zum Beispiel, Tankanlagen für den Schwerlastverkehr, Verdichter oder Batterien, die für die „Systemdienlichkeit“ der Elektrolyseure benötigt würden.

Kirsten Westphal vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, ebenfalls geladen von der SPD-Fraktion, sieht das aber ganz anders. Sie riet, genehmigungsrechtliche und energiewirtschaftliche Fragen klar zu trennen. „Woher (die) Moleküle (kommen) und welcher Strom genutzt wird, sollte bei den Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren keine Rolle spielen. Das muss an einem anderen Ort geregelt werden“, sagte sie. Auch die Liste der Wasserstoff-Derivate solle nicht zu eng gefasst werden, da unklar sei, welche Technologie sich durchsetzen werde.

Die unterschiedlichen Positionen fließen jetzt in die Beratungen mit ein. Änderungen am Wasserstoffbeschleunigungsgesetz sind daher im parlamentarischen Prozess noch zu erwarten.

Autorin: Eva Augsten | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

Schließen