Boom der großen Stromspeicher

An einer Straße vor Feldern steht eine Anlage mit grünen Containern. Sie enthalten große StromspeicherFoto: Kyon Energy
Große Stromspeicher wie diese gibt es inzwischen eine Reihe, die bereits realisiert wurden oder geplant sind. Und sie werden größer. Ein kommender Boom.
In den vergangenen Jahren ist eine wachsende Zahl an großen Strom­speichern in Betrieb gegan­gen. Das Bundeswirtschaftsministerium will diesen Trend und den Boom unterstützen. Doch Verbände bemängeln weiter­hin vorhandene Hürden.

„Informationen von Netzbetreibern zu Netzanschlussanfragen lassen den Schluss zu, dass ein Boom der großen Stromspeicher in Deutschland bevorsteht – eine gute Nachricht für die Bewältigung der Herausforderungen der Ener­giewende.“ Das sagt Robert Säverin, Pressesprecher des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gegenüber den Solarthemen. Großspeicher würden derzeit marktgetrieben rein aus Privatmitteln stark zugebaut.

Keine konkreten Ausbaupläne für Stromspeicher trotz Boom

Eine konkrete Planung für den Ausbau von Batteriespeichern gibt es derzeit aber noch nicht. Wie Säverin erklärt, habe das BMWK bisher „bewusst keinen Zielwert für die Speicherkapazität von Großspeichern vorgegeben“.
Im Netzentwicklungsplan, den die Übertragungsnetzbetreiber in Ab­stim­mung mit der Bundesnetzagentur 2024 entwickelt haben, wird abhängig vom Szenario bis 2037 bei Großbatteriespeichern eine Leistung von 23,7 bis 24,2 Gigawatt (GW) erwartet. Bei der jüngsten Aktualisierung des Plans gehen die Übertragungsnetzbetreiber von 18 bis 36 GW aus. Für 2045 wird von der Bundesnetzagentur bei Großbatteriespeichern eine Leistung von 43,3 bis 54,5 GW erwartet. Die Übertragungsnetzbetreiber nennen dagegen jetzt für die Neuauflage des Plans je nach Szenario 21 bis 44 GW.

Die vom BMWK mit der Erstellung von Langfristszenarien zu erneuerbaren Energien beauftragten Institute erklärten im März 2024 mit Blick auf 2045: „Bei halbierten Batterie­speicher­kosten verzehnfacht sich der Batteriespeicherausbau auf ca. 110 GW.“

Schwankende Perspektiven zu Stromspeichern

Es gibt also schon bei den Perspektiven sehr große Schwankungen. Wie Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar), sagt, habe sein Verband das Fehlen eines Ausbaupfades bereits in seiner Stellungnahme zur Speicherstrategie der Bundesregierung Anfang 2024 kritisiert. „Ein spezifisches Zubauszenario für Großspeicher aus Sicht der Photovoltaikbranche gibt es bisher nicht.“

Doch der Markt selbst scheint – wie vom BMWK angeführt – in Bewegung zu kommen. Dazu hat der BSW-Solar gerade eine Studie erstellen lassen. Wie Enervis für den Verband ermittelte, sind 2022 und 2023 bereits Batteriespeicher mit mehr als 1 Megawatt (MW) Leistung installiert worden. Bis August 2024 seien solche Anlagen mit insgesamt 1,42 GW in Betrieb gegangen. Für die nächsten zweieinhalb Jahre seien weitere 3,2 GW geplant. Sie kämen dann 2026 auf eine Kapazität von insgesamt etwa 8,5 Gigawattstunden (GWh). Im August 2024 waren es nach Aussage von Ener­­vis rund 1,7 GWh.

Ob der Trend ausreicht und den Anfangs-Boom der Stromspeicher stützt, lässt sich wegen einer bislang fehlenden Strategie, die auch Ausbauziele definiert, nicht benennen. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme erklärte im Mai 2022, es sei bis 2030 eine Gesamtspeicherkapazität – einschließlich von kleinen Heimspeichern – von 100 GWh erforderlich. Verbunden ist diese Aussage mit dem Ziel, eine sichere Stromversorgung mit 100 Prozent erneuerbarer Energie zu erreichen.

Stromspeicher-Strategie des Bundes

Schon im Dezember 2023 präsentierte das BMWK eine Speicherstrategie und lud dazu ein, Stellung zu beziehen. Nach Aussage von Säverin hat das BMWK die Konsultation ausgewertet und mit den betroffenen Verbänden Gespräche geführt. „Die Rückmeldungen waren positiv, die vorgeschlagenen Maßnahmen werden unterstützt“, so der Ministeriumspres­sesprecher. „Das BMWK arbeitet nun an der Umsetzung der Maßnahmen.“ So erabeite das Ministerium jetzt im Rahmen des BMWK-Branchendialogs zur Beschleunigung von Netzanschlüssen Vorschläge, um Netzanschlüsse von Stromspeichern zu vereinfachen. Und auch bei Maßnahmen in der Zuständigkeit anderer Ressorts habe das Ministerium auf eine Umsetzung hingewirkt, so Säverin: „Das ist zum Beispiel bei der Maßnahme zur Sicherstellung der finanziellen Beteiligung von Standortgemeinden über die Gewerbesteuer mit dem Bundesministerium der Finanzen der Fall.“ Die Entwicklung des Ausbaus solle unterstützt und mög­liche Hürden weiter beseitigt werden, betont Säverin.

Hürden beim Ausbau der Stromspeicher begrenzen den Boom

Bisher habe es keinen dynamischen Ausbau bei den Großspeichern gegeben, sagt Körnig. „Mit der aktuellen Strommarktsituation, der Dynamik des Zubaus der Photovoltaik und durch erhebliche Fortschritte bei Technik und Kostensenkung der Batteriespeicher erwarten wir jetzt eine sich entwickelnde Dynamik.“ Das zeige der vom BSW-Solar veröffentlichte Enervis-Report.

Doch damit der Ausbau die erforderliche Größenordnung annehmen könne und nachhaltig wachse, so Körnig, „müssen noch bestehende Hürden dringend beseitigt werden“. Das sind aus Sicht seines Verbands unverhältnismäßig hohe Baukostenzu­schüs­se (siehe hier). Und dazu gehört zudem die Entfristung der Befreiung von doppelten Netzentgelten für gespeicherten Strom.

Das sieht auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) so. Außerdem sei die flexible Nutzung von Stromspeichern endlich praxistauglich auszugestalten. Und „ein wichtiger Ausbau-Booster für Großspeicher wäre schließlich die vom BSW-Solar für die anstehende Novelle des Baugesetzbuches vorgeschlagene baurechtliche Privilegierung von Batteriespeichern im Genehmigungsverfahren“, sagt Körnig. „So wie es bei anderen Energiewendetechnologien und in der Energiewirtschaft längst üblich ist“, .

Es gibt auch Gegenwind

Einen Teil dieser Themen spricht auch das BMWK in seiner vorgelegten Speicherstrategie an. Urban Windelen, der Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands Ener­gies­peicher Systeme (BVES), sieht als ein Problem aber den Gegenwind, mit der sich die Speicherbranche jetzt konfrontiert sehe. „Wir haben es geschafft, ein gewisses Momentum für die Notwendigkeit von Speichern zu entwickeln, eine Welle, auf der man reiten konnte“. Aufgrund der volatilen, teils negativen Strompreise ließe sich mit Speichern jetzt auch Geld verdienen, so Windelen. Entsprechend groß sei das Interesse von Investoren.

Daraus resultiere der derzeitige Boom bei Großspeichern. „Aber der droht jetzt wieder abgewürgt zu werden“, moniert Windelen. Viele Projekte kämen nicht ans Netz, weil die Netzbetreiber erklärten, die Netzkapazität reiche nicht aus. Das Problem sei hier, dass die Netzbetreiber die Speicher nur als zusätzliche Last und nicht als Flexibiliätsoption sehen. Und dann würden etwa 20 MW PV-Leistung und 20 MW Speicherleistung addiert, so Windelen, obwohl der Speicher gerade mehr Systemdienlichkeit bringe. Z

um Beispiel in Spanien sei das ganz anders. Da könne man die PV-Anlage ohne Speicher nur schwer ans Netz bringen. „Der Flaschenhals ist der Netzanschlus“, sagt der BVES-Vertreter. „Die Speicherbetreiber sind abhängig von den Netzbetreibern und haben fast keine Möglichkeiten, deren Position zeitnah prüfen zu lassen.“
Offenbar sieht auch das BMWK Handlungsbedarf. Es erklärt in seiner Speicherstrategie, es wolle prüfen, ob der in § 8 Absatz 1 EEG bestehende Netzanschlussvorrang für „Grünstromspeicher“ auf sämtliche Energie­spei­cheranlagen ausgeweitet werden soll.

Anderes Verständnis gefordert

Für Windelen ist auch dringend erforderlich, dass sich das Verständnis von Speichern grundsätzlich ändert. So ist für ihn das neue Positionspapier zu Baukostenzuschüssen, das die Bun­des­netzagentur (BNetzA) gerade erarbeitet, ein besonderes Ärgernis (siehe Artikel zur Diskrimierung von Stromspeichern durch die BNetzA). Es zeige, dass sie weiterhin den Speicher als Verbraucher einordne. Dabei sei er so nicht zu kategorisieren.

Der BDEW erklärt aber, Stromspeicheranlagen sollten nur dann nicht wie ein normaler Letztverbraucher Baukostenzuschüsse zahlen, wenn sie als „netzdienliche“ Anlage, oder zukünftig sogar als „netzbildende“ Anlage ausgeführt sind. Gilt dies, so sollten sie „explizit angereizt werden“. Das erfordert aus Sicht des Verbands aber eine klare Definition von „Netzdienlichkeit“ als Grundlage zur Befreiung von den Baukostenzuschüssen.
Die Diskussion um gute Bedingungen für Stromspeicher ist offenbar noch nicht abgeschlossen.

Autor: Andreas Witt | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

Schließen