Tiefengeothermie auf dem Weg – Gamechanger für Kommunen

Weiß lackierte Kraftwagen mit großen Reifen in einer Reihe auf einem Waldweg. Vibro-Trucks erkunden den Untergrund, um das Potenzial für Tiefengeothermie-Bohrungen zu erkunden.Foto: Geologischer Dienst NRW
Vibro-Trucks erkunden den Untergrund, um das Potenzial für Tiefengeothermie-Bohrungen zu erkunden.
Für eine Reihe von Kommunen könnte die Tiefengeother­mie die Lage auf dem Wärmesektor grundsätzlich ändern – ein Gamechanger. Zusammen mit Solarthermie und Wärmepumpen kann in der Fernwärme so der Abschied von Erdöl und -gas gelingen. Auch neue Gesetze helfen.

Zu Beginn des Wandels der Wär­meversorgung rollen meist die Vibro-Trucks (siehe Foto). Sie senden Schallwellen einige tausend Meter tief in den Boden, die mit einer Art großen Rüttelplatte ­– einem Vi­bra­tor – erzeugt und von Empfangsgeräten – Geopho­nen – aufgenom­men werden. Gerade waren und sind in Ostwestfalen die Vibro-Trucks unterwegs. Das Land Nord­rhein-Westfalen und sein Geologischer Dienst hat sie auf insgesamt sieben Linien u.a. von Stemwede nach Porta Westfalica, von Petershagen über Bielefeld bis Oelde und von Schieder-Schwalenberg bis nach Borgentreich auf die Reise geschickt. Das ist eine ins­gesamt 350 Kilometer lange Strecke, auf der sich das Land ein besseres Bild vom Untergrund und dem Potenzial der Tiefengeothermie für Kommunen machen möchte.

2-D-Seismik für bessere Einschätzungen zur Tiefengeothermie

Die im Rahmen der 2-D-Seismik erzielten Er­geb­­nisse lassen eine genauere Einschätzung zu, wo es sich für Kommunen lohnen könnte, sich mit der Tiefengeothermie zu befassen. Sie liefert Erkenntnisse zu den Bodenschichten und ob sie grund­sät­zlich für die Tiefengeothermie geeignet sind. Doch daraus lässt sich noch nicht ableiten, ob ein solch teures Vorhaben wie eine Bohrung in 10000, 2000 oder 3000 Meter Tiefe sich tatsächlich lohnt. Dafür sind weitere Untersuchungen erforderlich.

Im Jahr 2021 waren die Trucks ebenfalls im Landesauftrag bereits im Münsterland unterwegs. Jetzt stehe im November oder Dezember die 3-D-Seismik an, sagt Lisa Schmees, Pressesprecherin der Stadtwerke Münster. Die 3-D-Seis­mik liefert wesentlich genauere Ergebnisse – sie liefert Untergrundansichten in der Fläche, während eine 2-D-Seismik nur eine linienhafte Darstellung zu bieten hat. Doch dank 2-D-Seismik wüssten die Stadtwerke, dass die Voraussetzungen an mindestens drei Stel­len im Stadtgebiet grundsätzlich geeignet seien. Jetzt investieren die Stadt­werke – wieder unterstützt vom Land – einen Millionenbetrag in weitere Untersuchungen und eine

Machbarkeitsstu­die zur Tiefengeothermie

Und die eventuell daraus folgende Tiefenbohrung wird noch einmal einige Millionen Euro kosten. Doch ist sie er­folg­reich, so belohnt die Wärme aus dem Untergrund die Stadtwerke mit einem sehr hohen Wärmepotenzial. Die hätten sich, so berichtet Schmees, auf den Weg gemacht, um die Fernwärme auf erneu­erbare Energien umzustellen. Dabei werden in einer Großstadt wie Münster mit einem rund 200 Kilometer langen Fernwärmenetz freilich große Ener­gie­mengen benötigt.

Die Stadtwerke Münster hoffen darauf, dass die Tiefengeothermie in der Kommune künftig etwa ein Drittel der benötigten Wärme­ener­gie liefern kann. Und sie wäre auch darüber hinaus sehr wichtig, betont Schmees. Denn sie habe „unschlagbare Vorteile“ und biete das ganze Jahr über zu jeder Stunde des Tages ein grundlastfähiges Potenzial. Die Tiefengeo­thermie wäre also ein sehr wichtiger Baustein, um die Fernwärme tatsächlich mehr und mehr auf erneuerbare Ener­gien umstellen zu können.

Gesetzesinitiative vom Bund

Auch der Bund will dabei helfen, die Potenziale der Tiefengeothermie leich­ter zu heben. Vor wenigen Wochen hat das Kabinett dazu einen Gesetzentwurf „zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren von Geothermie­anla­gen, Wärmepumpen und Wärmespei­chern“ beschlossen. So soll das Gesetz bei der Zulassung im Bergrecht Fristen verkürzen, damit die Entscheidungen nicht mehr so lange dauern. Zudem sollen Genehmigungsverfahren online möglich sein und die Anzahl der be­tei­ligten Behörden im Verfahren verringert werden.

Geothermie, Wärme­pumpen und Wärmespeicher sollen durch das Gesetz bei Genehmigungsentscheidungen außerdem ein stärkeres Gewicht bekommen, da ihnen – wie andere er­neu­erbare Energien – ein überra­gendes öffentliches Interesse zugesprochen wird. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, erklärt dazu: „Das Potenzial der Geothermie, also der direkten Erdwärme aus tieferen Gesteinsschichten wurde jahrzehnte­lang in Deutschland vernachlässigt. Jetzt holen wir die Geothermie endlich aus ihrem Schattendasein.“ Denn rund ein Viertel der ge­samten Wärme in Deutschland könne grundsätzlich mit­hilfe tiefengeothermi­scher Systeme erzeugt werden.

Ergänzend sind Vereinfachungen im Baurecht vorgesehen, damit Geo­thermievorhaben im Außenbereich einfacher zugelassen werden können.

Ob dies bei dem Projekt in Münster schon für eine Beschleunigung sorgen kann, wird sich zeigen. Nach Aussage von Schmees rechnen die Stadtwerke mit der Tiefenbohrung frühestens im Jahr 2026 und mit einer ersten Wärme­lieferung noch vier Jahre später.

Regenerativer Wärmemix

Die Tiefengeothermie kann in Städ­ten wie Münster und wohl erst recht in kleineren Kommunen einen großen Anteil zur Wärmeversorgung beisteuern. Ergänzend kommen – neben großen Wärmespeichern – weitere regenerative Erzeuger in Betracht. So sammelt Müns­ter derzeit erste Erfahrungem mit Groß­wärmepumpen. Angeschlossen an den Auslauf des Klärwerks solle eine solche 100 bis 130 Gigawattstunden Wärme liefern. Mit einer weiteren Groß­wär­me­pumpe wollen die Stadt­werke Münster den Dortmund-Ems-Kanal als Wärmequelle nutzen. Und in Mecklenbeck planen die Stadtwerke auf einem 20 Hektar großen Gelände ihre erste kombinierte Solarthermie- und Photovoltaik-Freiflä­chenanlage. 30 Giga­watt­stunden (GWh) Wärme und zwei GWh Strom wollen sie dort mit den Solaranlagen gewinnen.

Weitere Kommunen dabei

Auch die Stadtwerke Aachen AG be­reiten seismische Messungen in ihrer Region vor und wollen dafür 1,6 Millionen Euro investieren. Deren Vorstand Christian Becker e­r­läu­tert, sein Unternehmen plane, die Fernwärme bis spätestens 2030 kohlef­rei und mög­lichst klimafreundlich zu machen. „Wir setzen dabei auf einen Mix aus Wärmeauskopplungen, Großwärmepum­pen, effizienten Blockheizkraftwerken und Tiefengeothermie.“ Und allein in NRW arbeiten etwa auch Kommmune wie Düsseldorf, Duis­burg sowie Bad Oeynhausen daran, die Tiefengeothermie zu nutzen.

Autor: Andreas Witt | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 10/2024 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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