Energiewende 2.0: BMWK plant Umbruch für Netzfinanzierung und Photovoltaik
Einen neuen Baustein dafür präsentierte Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck am heutigen Mittwoch als einen Punkt seines Impulspapier für eine Modernisierungsagenda. Er will die Verwendung von Strom mittels verschiedener Instrumente günstiger machen. Im Prinzip ist das zwar nicht neu. Unter anderem bringt er aber eine Mehrwertsteuersenkung für Strom ins Gespräch. Wobei er einschränkt, dass dafür die Bundesländer mitmachen müssten. Er hofft damit auch die Sektorenkopplung und die damit verbundenen Effizienzgewinne im Wärme- und Verkehrssektor stärker anzureizen. Habecks Argument: „Strom wird immer erneuerbarer; Barrieren, Strom zu nehmen, sollten reduziert werden.“ Bereits in diesem Jahr werde der Anteil erneuerbarer Energien im Stromnetz ungefähr 60 Prozent erreichen. Somit könne man davon ausgehen, dass Deutschland das 80-Prozent-Ziel der Bundesregierung für 2030 erreichen werde.
Eine Mehrwertsteuersenkung auf Strom könnte einen zusätzlichen Anreiz für Wärmepumpen und E-Autos auslösen. Sie würde sich vor allem am Privatleute richten, hingegen den meisten Unternehmen aufgrund des Vorsteuerabzugs nichts bringen. Auch würde sich dadurch der finanzielle Vorteile für den PV-Eigenverbrauch etwas verringern. Neben der Mehrwertsteuersenkung will Habeck auch die Netzgebühren verringern. Und zwar indem er den Netzausbau teilweise über einen sogenannten „Deutschlandfonds“ mittels staatlicher Schulden finanziert. Aus diesem Fonds, dessen Volumen Habeck mit einigen Hundert Milliarden ausgestattet sehen möchte, will er neuartige 10-prozentige „Investitionsprämien“ für alle Unternehmen vom kleinen Handwerksbetrieb oder Start-up bis zum Großunternehmen finanzieren, um Wachstum und Zukunftsinvestitionen anzukurbeln. Aber auch Infrastrukturmaßnahmen, wie unter anderem den Stromnetz-Umbau, möchte er über den Fonds finanzieren.
Ohnehin steht der Umbau des Stromnetzes und seine Finanzierung für das Bundeswirtschaftsministerium inzwischen weit oben auf der Agenda. Das zeigte auch eine Online-Diskussion zum Thema „Energiewende 2.0“ in der Reihe „Europe Calling“. Bei der erklärten gleich zwei Staatssekretäre aus Habecks Ministerium, Philipp Nimmermann und Sven Giegold, vor mehr als 3000 Teilnehmern die Vorstellungen des BMWK zu den in dieser Legislaturperiode noch anstehenden Weichenstellungen in der Energiepolitik.
Flexible Netzentgelte für alle
Eines der Themen sind dabei flexible Netzentgelte. Schon seit einer früheren Gesetzesnovelle der Ampel können diese nach § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) denjenigen eingeräumt werden, die im Gegenzug einer Abregelung – genannt Dimmung – ihrer Wallboxen oder Wärmepumpen durch den Netzbetreiber zustimmen. Nimmermann machte allerdings deutlich, dass dies lediglich als kurzfristig wirkende Übergangslösung zu verstehen sei. Aktuell arbeite die Netzagentur vielmehr an einer Verordnung, die eine Flexibilisierung der Netzentgelte für alle Verbraucher:innen und Einspeiser:innen zum Ziel habe. Das wird auch von der Regenerativbranche begrüßt.
Deutlich mehr Mühe kostet es Nimmermann allerdings, in der EE-Szene zu werben für die Veränderungen an der Förderung, die die Bundesregierung für die nächste große Novelle des EEG vereinbart hat – Stichwort „Wachstumsinitiative“. Dazu zählt neben der schrittweisen Absenkung der Direktvermarktungspflicht von heute 100 kW auf 25 kW und neben einer verpflichtenden Steuerbarkeit auch wesentlich kleinerer PV-Anlagen durch die Netzbetreiber auch ein tiefgreifender Systemwechsel bei der Förderung. Wie in den Solarthemen mehrfach berichtet, will das BMWK weg von den heutigen EEG-Vergütungen und Marktprämien für produzierten Strom, hin zu einer Investitionskostenförderung. Der Staatssekretär sagt dazu: „Erneuerbare sind erwachsen geworden; sie sind dominierend mit fast 60 Prozent im System.” Alle Anlagen, die jetzt neu hinzukommen, müssten deshalb systemdienlich sein. Generell sollten die Verteilnetzbetreiber Strom bei negativen Preisen nicht mehr abnehmen müssen. Es sei allerdings technisch sicherzustellen, dass der überschüssige Strom dann bei einer Kappung der Netzeinspeisung im Gebäude des Prosumers verbraucht oder gespeichert werden könne.
Investitionskostenförderung statt EEG-Vergütung
Was den geplanten Übergang zu Investitionskostenförderungen anstelle der EEG-Vergütungnen betrifft, den Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck im Zuge ihrer sogenannten Wachstumsinitiative angekündigt hatten, so scheint der zuständige Staatssekretär des BMWK, Philipp Nimmermann, voll dahinter zu stehen. In der Online Veranstaltung argumentierte der promovierte Volkswirt: „Wenn wir wollen, dass die Erneuerbaren sich ideal in des Gesamtstromnetz integrieren, dann müssen Marktsignale maximal funktionieren. Immer dann, wenn ich aber eine Förderung an den Preis ansetze, kann das Marktsignal gar nicht frei funktionieren.” Deshalb sei eine Investitionskostenförderung oder eine Kapazitätsprämie mit Blick auf die Systemintegration die bessere Art der Förderung, meint Nimmermann. „Das kriegt man hin, wenn man die Leistung und nicht die Arbeit fördert.”
Der Staatssekretär versicherte allerdings: „Wir wollen keinen Fadenriss. Deshalb wollen wir einen Piloten” – sprich: einen Pilotversuch.
Genau einen solchen Fadenriss befürchtet aber Susanne Jung, Geschäftsführerin des Solarenergie-Fördervereins Deutschland (SFV). Schon jetzt seien die Kleinanlagenbetreiber aufgrund der Ankündigungen der Bundesregierung zur Änderung des EEG enorm verunsichert. Das führe zu einer starken Kaufzurückhaltung, und die ersten Firmen im PV-Bereich gingen deshalb bereits pleite. Vielen der Anrufer, die die Beratung durch den SFV suchten, seien sogar unsicher, ob sie für das Vergütungsmodell ihrer bestehenden PV-Anlagen überhaupt mit dem 20-jährigen Bestandsschutz des EEG rechnen könnten.
Hat die Kostendeckende Vergütung ausgedient?
Eine Abschaffung der heutigen EEG-Förderung, die letztlich immer noch auf dem Prinzip der Kostendeckenden Vergütung beruht, das Initiativen wie der SFV in Aachen in den 1990-er Jahren zunächst auf kommunaler Ebene erstritten haben, hielte Jung für ein fatales Signal. „Nein“, sagt der SFV dazu: „Investitionskostenzuschüsse sind keine sichere Finanzierungsgrundlage für die Energiewende.“
Nimmermann verspricht demgegenüber, das BMWK werde einen solchen Systemwechsel nur weiter anstreben, wenn der Pilotversuch aus Sicht des Ministeriums erfolgreich verlaufe. Für ihn, den Volkswirt, verbinde sich damit vor allem die Frage, ob eine an der Kapazität beziehungsweise an den Investitionskosten orientierte Förderung „bankable“ sei, also auf Gegenliebe der Finanzwirtschaft stieße und somit günstige Finanzierungskonditionen für die Energiewende erwarten ließe.
Nichts am Fördersystem des EEG zu ändern, sei allerdings keine Alternative. Schon deshalb, weil Ende 2026 die beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission für das deutsche EEG auslaufe, warnte Nimmermann. Zur Erinnerung: Erst seit die Bundesregierung vor einigen Jahren beschlossen hat, die EEG-Umlage über Steuergelder zu finanzieren, ist das EEG von der Zustimmung der EU-Kommission abhängig.
Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH