Techem-Analyse: 90 % der Mehrfamilienhäuser für Wärmepumpe geeignet
In die Auswertungs sind laut Techem 110.000 Gebäude mit 1,2 Millionen Wohnungen in Mehrfamilienhäusern in Deutschland eingeflossen. Laut Dena-Gebäudereport gibt es in deutschen Mehrfamilienhäusern knapp 23 Millionen Wohnungen. Der Techem-Bericht ist also eine recht große Stichprobe. Soweit sich aus dieser auf die Gesamtheit schließen lässt, wird der Bestand der Mehrfamilienhäuser in Deutschland demnach zu 90 Prozent fossil beheizt, so Techem. Rund 90 Prozent dieser fossil beheizten Mehrfamilienhäuser im Bestand wären wiederum für den Einsatz einer Wärmepumpe geeignet. Bei 50 Prozent böten vorhandene Heizkörper ausreichende Leistungsreserven für eine Umstellung auf Wärmepumpen. Bei weiteren 40 Prozent müssten hingegen Heizkörper getauscht werden, um die Heizflächen zu vergrößern.
Heizleistungsreserve ist der Schlüssel für Wärmepumpe im Mehrfamilienhaus
Die Herleitung: Damit Wärmepumpen effizient arbeiten können, sollte die Vorlauftemperatur im Heizkreis im Normalfall nicht über 55 °C liegen. Bei fossilen Heizungen geht man hingegen laut Techem meist von einer 70/50/20-Auslegung aus. Das heißt, bei 70 °C im Vorlauf und 50 °C im Rücklauf soll sich bei der örtlichen Norm-Außentemperatur eine Raumtemperatur von 20 °C erreichen lassen.
Techem hat nun für rund 200.000 Gebäude in Deutschland die Endenergieverbräuche, installierten Heizkörperleistungen und weitere Daten analysiert. Daraus wiederum wurde eine Heizleistungsreserve abgeleitet. Liegt diese bei 40 Prozent oder mehr, wäre der effiziente Einsatz von Wärmepumpen in der Heizperiode möglich, so Techem. Das war bei der Hälfte der von Techem betreuten Mehrfamilienhäuser im Bestand der Fall. Liegt die Heizleistungsreserve mindestens bei 0, ließe das Heizen mit Wärmepumpe zumindest mit einem Heizkörper-Tausch realisieren. Das trifft auf die Hälfte der Mehrfamilienhäuser im Bestand zu. Marek Miara, langjähriger Spezialist für Wärmepumpen in Bestandsgebäuden beim Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme, hält die Herleitung grundsätzlich für plausibel. „Einige Gebäude, die wir analysiert haben, bestätigen grob die Aussagen“, sagt Miara, mit einer Tendenz zu vorsichtigeren Aussagen. Er warnt aber auch vor voreiligen Schlüssen. Wie viel Spielraum bei der Heizleistung wirklich sei, müsse individuell am konkreten Gebäude geprüft werden.
Heizkörper für Wärmepumpe braucht nicht mehr Platz
Der Techem-Bericht weist zudem darauf hin, dass die Heizkörper nicht unbedingt mehr Platz bräuchten. Tauscht man einen der – oft älteren – gerippten Strahlungsradiatoren gegen einen Plattenheizkörper, könne man bei gleicher Höhe und Breite die Nennleistung um 40 bis 50 Prozent vergrößern.
Techem weist darauf hin, dass die Tauglichkeit für niedrige Vorlauftemperaturen auch für die Planung kommunaler Wärmenetze wichtig ist, zumal in diesen vermehrt Abwärme eine Rolle spielen soll. Die zur Verfügung stehenden Temperaturen vieler Abwärme-Potenziale liegen unter den heute gängigen Vorlauftemperaturen von Heizkörpern.
Aus dem Techem-Bericht könnte man auch herauslesen, dass sich die Energiewende im Gebäudebestand weitgehend mit neuen Heizungen bewerkstelligen lässt. Gegen eine solche Interpretation protestiert Miara. „Vielleicht müssen wir nicht unbedingt die Gebäudehülle sanieren, um eine sinnvolle Arbeit der Wärmepumpe zu ermöglichen. Aber ohne Reduzierung des Wärmebedarfs werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen können. Nur die Reihenfolge muss nicht unbedingt so sein, wie oft behauptet wird: Man muss nicht vor Installation der Wärmepumpe aufwändig sanieren“.
Jahresarbeitszahl von Wärmepumpe im Bestand: Überdimensionierung vermeiden
Ein weiterer Knackpunkt bei Wärmepumpen ist auch ihre Jahresarbeitszahl (JAZ) in der Praxis. Sowohl ungeeignete Rahmenbedingungen als auch Fehler bei Planung und Installation können dazu führen, dass die Realität nicht hält, was das Datenblatt verspricht. In seinem Mehrfamilienhaus-Bestand kam Techem auf eine mittlere JAZ von 3,3 für Anlagen zur reinen Raumheizung. Wärmepumpen, die auch zur Trinkwasser-Erwärmung dienen, und daher höhere Temperaturen bereitstellen müssen, kamen im Schnitt auf 3,0. Das ist ein passabler Durchschnittswert. Bei gut einem Fünftel der Anlagen liegt die Jahresarbeitszahl allerdings bei weniger als 2,5. Dort sieht Techem einen „deutlichen Verbesserungsbedarf“. Bei der weiteren Auswertung hat Techem erwartungsgemäß festgestellt, dass eine größere Heizleistungsreserve mit einer höheren Jahresarbeitszahl korreliert.
Zusätzlich hat der Messdienstleister auch den Zusammenhang von JAZ und dem Wärmeverbrauch analysiert, wo immer das anhand von Wohnungswärmezählern möglich war. Bei geringem Wärmeverbrauch steigt dabei die JAZ mit dem Verbrauch. Techem vermutet dahinter eine Überdimensionierung der Wärmepumpe, sodass diese durch häufiges Takten nicht effizient arbeiten kann. Besonders drastisch zeigt sich dieser Effekt bei Raumheizwärmeverbräuchen unter 20 kWh pro m2. Die durchschnittliche JAZ liegt in diesem Bereich unter 1,5. Wer also eine Sanierung der Gebäudehülle nach dem Einbau einer Wärmepumpe plant, sollte diesen Schritt mit einrechnen und überlegen, wie sich die Übergangszeit mit neuer Heizung und alter Hülle bewerkstelligen lässt.
Heizkosten und Wärmebedarf eng verknüpft
Weiterhin untermauert die Techem-Analyse die intensive Wechselwirkung von Heizkosten und Wärmeverbrauch. In einer Verlaufsbetrachtung ab 2007 verhalten sich die Heizkosten geradezu spiegelbildlich zum Verbrauch – was allerdings durch den gewählten Maßstab unterstützt wird. Das Rekordjahr des Energiesparens war demnach 2023. Im Vergleich zum Startjahr 2007 sank der Verbrauch um etwa 16 Prozent, während die Wärmekosten um etwa 70 Prozent höher lagen. Der Spareffekt ist also deutlich, aber längst nicht proportional.
Daneben beschreibt Techem ein Phänomen, das Fachleuten ebenfalls bekannt ist: Gebäude mit geringer Effizienz schneiden meist beim Verbrauchsausweis deutlich besser ab als bei der Bedarfsberechnung. Bei gut gedämmten, neuen Gebäuden ist es umgekehrt. Dort verbrauchen die Menschen deutlich mehr, als rechnerisch zu erwarten wäre. Dabei handelt es sich allerdings nicht um einen Fehler im eigentlichen Sinne, wie Techem auf Rückfrage erklärt. Vielmehr wird die gängige Energiebedarfsrechnung ohne den Rebound-Effekt gemacht. Dieses seit dem 19. Jahrhundert bekannte Phänomen bewirkt, dass Menschen die steigende Effizienz sehr flott durch einen gesteigerten Verbrauch aufzehren. Dass das offenbar auch bei der Nutzung von PV-Anlagen gilt, sorgte übrigens vor zwei Jahren für einige Empörung unter Solarserver-Leser:innen.
Am niedrigsten ist der Heizwärmeverbrauch übrigens im Osten und im Süden Deutschlands, wie die Techem-Zahlen zeigen. Dort treffen laut der Analyse ein sparsames Heizverhalten und vergleichsweise effiziente Gebäude zusammen. Bevor man daraus allzu viele Schlüsse zieht, empfiehlt sich allerdings ein Blick auf die absoluten Zahlen. Techem hat nämlich lediglich einen relativ engen mittleren Bereich von 120 bis 138 kWh/m2 in Gelb dargestellt. Im Verbrauchsausweis würde das einem schwachen „D“ oder einem guten „E“ entsprechen. Alles unter 120 kWh/m2 verschwimmt in einem einheitlichen Grün, alles über 138 kWh/m2 im gleichen Rot.
Autorin: Eva Augsten | © Solarthemen Media GmbH