PVT – Sektorenkopplung vom Dach

Rathaus in Offenbach von oben. Auf dem Dach sind dunkle Flächen zu erkennen: PVT-KollektorenFoto: Consolar
Rathaus in Offenbach a. d. Queich wird mit PVT-Kollektoren (links) und Wärmepumpe versorgt. Die Dachfläche rechts trägt PV-Module.
PVT, also Photovoltaik und Solarthermie in einer einzigen Solaranlage kombiniert, schickt sich an, einen größeren Markt zu erschließen. Neben Einfamilienhäusern bietet PVT auch für Stadtquartiere, kommunale Gebäude und Wärmenetze Optionen.

„Wir haben ein Platzproblem“, sagt Peter Friedrich, Chef der Stadtwerke Leinfelden-Ech­ter­din­gen. Der historische Stadtkern von Echterdingen, im Speckgürtel von Stuttgart gelegen, ist dicht bebaut. Über der Erde sind die Gassen eng und unter der Erde liegt schon ein Gewirr von Ver- und Entsorgungsleitungen. Hier ein Wärmenetz zu verlegen und es mit erneuerbaren Energien zu füttern, ist keine triviale Aufgabe.

Und so zwingt der Platzmangel zu kreativen Wegen. In den Fokus der Wärmeplaner geriet das bislang ungenutz­te Süddach der kommunalen Zehntscheuer, eines in den 1990er Jahren nach historischem Vorbild neu gebau­ten Mehrzweckgebäudes, in dem sich Seniorenbegegnungsstätte, Vereinsräume, Kindergarten, Bürgersaal und Bücherei befinden. Fast wäre dort eine normale Photovoltaik-Anlage, die keine direkte Wärme gewinnt, entstanden, wenn nicht die Ausschreibung gescheitert wäre, berichtet Werks­leiter Fried­rich. Inzwischen aber denkt man einen Schritt weiter, will neben Strom auch Wärme von der Sonne gewinnen, um letztere in das neue Wärmenetz einzuspeisen. Die Stadtwerke lassen dazu 156 sogenannte PVT-Module aus der Produktion der sächsischen Firma Sunmaxx auf dem Dach montieren.

Die Buchstabenkombination aus PVT steht für photovoltaisch und thermisch. Mittlerweile sind verschiedene Bauformen von PVT-Kollektoren auf dem Markt. Bei dem in Echterdingen zum Einsatz kommenden Produkt ist mit der Rückseite eines Photovoltaik-Moduls ein Rohr-Absorber fest verbunden, durch den ein Wasser-Glykol-Gemisch als Wärmeträ­ger strömt. So wird die Abwärme der Solarstromzellen als Niedertemperaturwärme mit 20 bis 30 Grad Celsius nutzbar. Während handelsübliche Photovoltaik nur ein Fünftel der eingestrahlten Sonnen­energie in Strom umwandeln können, erreicht ein PVT-Panel, das auch die Abwärme nutzt, einen vielfach höheren Gesamtwirkungsgrad von bis zu 80 Prozent.

PVT-Kollektor + Wärmepumpe

Allerdings ist das Temperatur­ni­veau längst nicht so hoch wie beim Solarkollektor einer klassischen Solarthermieanlage. Die meisten PVT-Kollek­to­ren kommen deshalb in Kombination mit einer Sole-Wärmepumpe zum Einsatz. Es gibt allerdings Ausnahmen, von denen hier noch die Rede sein wird.

Die Wärmepumpe kann dann auch gleich einen Teil des günstigen Solarstroms aus der Kombi-Anlage im Eigenverbrauch als Antriebsenergie nutzen. Dass eine einfache Luft-Wärmepumpe mit Solarstrom vom Dach versorgt wird, entwickelt sich in neuen Einfamilienhäusern immer mehr zum Standard. Dass aber auch die Wärmequelle für die Wärmepumpe mittels PVT-Kollektor auf dem Dach platziert werden kann, ist weniger bekannt. Dabei sind die Wirkungsgrade dieser Art von Solar-Wärmepumpen-Kombination, bei der nicht Luft- sondern Solewärmepumpen zum Einsatz kommen, deutlich höher.

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Das bestätigt Korbinian Kramer, Projekt­lei­ter am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme. Sein Team hat PVT-Wärmepumpen-Anlagen im Alltagseinsatz in einem Monitoring-Pro­jekt vermessen. Die PVT-Systeme bewiesen dabei Jahresarbeitszahlen (JAZ) deutlich über 4 und waren damit effizienter als vergleichbare Luftwärme­pum­pen. Die hohen Arbeits­zahlen von Sole-Wärmepumpen mit Erd­sonden erreichen PVT-Systeme zwar nicht ganz, aber dafür lassen sich sich günstiger installieren.

Richtig effizient kann es sein, Erd- und Solarwärme zu verbinden, wie bei dem Stadtwerkeprojekt in Echter­din­gen. Dort nämlich gibt es neben der PVT-Kollektorfläche auf der Zehnt­scheuer auch ein Erdsondenfeld im Stadtpark, aus dem sich die Wärmepumpe im Winter mit Umweltwärme versorgt. Im Sommer, wenn die PVT-Kollektoren erheb­lich mehr Wärme ernten als aktuell gebraucht wird, werden sie diese Über­schüs­se in das Erdsondenfeld einspeisen und regene­rie­ren damit das unterir­dische Energiereservoir für den näch­sten Winter.

Kombination mit Speichern

Auch bei der Firma Consolar, hierzu­lande vermutlich Marktführer im jungen Marktsegment der PVT-Heizsysteme, zeigt man sich offen für kombinierte Anwendungen mit anderen Wärmequel­len und Speichern. „Gerade in größeren Objekten oder kalten Nahwärmenetzen ist PVT sofern erforderlich prädestiniert für die Kombina­tion mit Erdwärmesonden oder Eisspeichern“, sagt Consolar-Geschäftsführer Andreas Siegemund. So wird Deutschlands größte PVT-Anlage mit einer Kollektorfläche von 1300 Quadratmetern, die Consolar zurzeit auf dem neuen Bürokomplex Dockyard am Berliner Ostha­fen er­rich­tet, mit einem 1500 Kubikme­ter fassenden Eisspeicher in einem still­ge­legten Bahntunnel kombiniert.

Seine bisherigen Verkaufserfolge hat Consolar allerdings weniger solchen komplexen Kombinationen zu ver­dan­ken als vielmehr der Eignung seiner speziellen PVT-Kollektoren als „monoenergetische Quel­­le“, wie es Siegemund nennt. Es muss also außer den PVT-Kollektoren auf dem Dach oder an der Fassade keine weitere Wärmequelle angezapft wer­den, um die Wärmepumpe ganzjährig zu betreiben. Im Rathaus der Gemeinde Offenbach a. d. Queich (Foto) beispielsweise erzielte die seit 2022 PVT-gespeis­te Wärmepumpe sogar in den Wintermonaten Oktober bis Fe­bruar Systemjahresarbeitszahlen (SJAZ) um 4,0. Un­ter Einbe­ziehung der Solar­strom­ernte so­gar zwischen 4,3 und 4,9.

Spezielle Bauform der PVT-Kollektoren

Das liegt an der speziellen Bauform der PVT-Luft-Sole-Kollektoren, die Consolar zusammen mit seinem niederländischen Partner Triple Solar entwickelt hat. Bei diesen Kollektoren ist mit der Rückseite des Photovoltaikmoduls nicht ein flaches Wärmetauscherrohr verbunden wie bei Sunmaxx und auch kein Flächenwärmetauscher wie beim schweizerischen Hersteller Soblue. Vielmehr befindet sich dort ein großflächiger luftdurchströmter Rippenwärmetauscher, der die Umgebungsluft neben der Solarstrah­lung als Wärmequelle nutzbar macht und in gutem thermischem Kontakt zum PV-Modul steht. So erntet der Kollektor auch nachts bis -12 Grad und bei trübem Wetter Heizwärme, um Gebäude mit Heiz- und Warmwasser über die Wärmepumpe zu versorgen.

Für Consolar ist dabei wichtig, die PVT-Wärmepumpe auf 85 bis 100 Pro­zent der Heizlast auszulegen und nicht nur auf 70 Prozent wie bei Luftwärmepumpen üblich. So vermeidet das Un­ter­neh­men, dass der elektri­sche Heiz­stab im Winter oft einspringt und neben dem Geld­beutel des Besit­zers dann auch das Stromnetz stark belastet.
Um in der Praxis mit einem monoenergetischen PVT-System eine hohe Jahresarbeitszahl und einen geringen Strom­­bezug vom Netz zu erreichen, sei aber auch wichtig, effiziente Wärmespeicher und gegebenenfalls zudem ei­nen Stromspeicher in das Energie­mana­ge­ment einzubinden, betont Siegemund.

Im kommunalen Umfeld sind die Anwendungsfälle für PVT breit gestreut. Neben Wärmenetzen, kommunalem Wohnungsbau, Rathäusern und Schu­len erscheinen insbesondere auch Sportstätten und Tourismusbetriebe mit ihrem spezifischen Wärmebedarf für PVT geeig­net. Der spanische Anbieter Abora, dessen langjährig erprobtes PVT-Panel mit Frontseiten-Abdeckung und rückseitiger Dämmung mehr an einen klassischen Solarthermiekollektor als an ein PV-Modul erin­nert, kann hier auf besonders viele Referenzen verweisen. Sein Alleinstellungsmerkmal ist, dass er auch ohne Wär­me­pumpe betrieben werden kann, weil er ein höheres Temperaturniveau erreicht als ungedämmte PVT-Module. Als Luftkollektor ist das Modell mit geschlos­se­nem Kollektorkasten aber nicht einsetzbar.

Kein Bohren keine Geräusche

Besonders in Kurorten sind Klimamanager auf PVT aufmerksam ge­wor­den, weil sich mit dieser Technologie Nach­teile herkömmlicher Wärmepumpen vermeiden lassen. Denn in vielen Kurstädten erhalten Hausbesitzer:innen für Erdsondenbohrungen wegen des Heilquellenschutzes keine Genehmigun­gen. Hier sind PVT-Syste­me mit ih­ren hohen Jahresarbeitszahlen eine Alternative zur Erdwärmepumpe. Und Ge­gen­­über Luftwärme­pum­pen trumpft PVT neben den besseren Effizienzwer­ten auch mit dem Verkaufsargument Stille auf. Denn einen Ventila­tor, häufig Anlass für Ressenti­ments gegenüber Luft­wärmepumpen, benöti­gen PVT-Systeme nicht.

Autor: Guido Bröer | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 10/2024 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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