Windenergie und Vogelschutz: Antikollisionssysteme in der Praxis

Rotmilan im Hintergrund, davor Windenergie-Anlage, Symbol für Antikollisionssysteme in der Windenergie.Foto: wkbilder / stock.adobe.com
Rotmilan hinter Windturbine (Archivbild).
Unter welchen Umständen können technische Antikollisionssysteme dazu beitragen, Windenergie und Vogelschutz besser zu vereinbaren? Zu dieser Frage brachte das Projekt „Antikollisionssysteme in der Praxis“ neue Erkenntnisse.

Dank moderner Antikollisionssysteme (AKS) könnten Windenergie-Anlagen in Zukunft immer besser auf anfliegende Vögel reagieren und kurzfristig abgeschaltet werden. Doch an der Frage, in welchen Fällen die Investitionen in die Systeme und die Ertragsausfälle für die Windenergie-Betreiber zumutbar sind, scheiden sich die Geister. Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende befasst sich seit 2018 mit dem Einsatz von Antikollisionssystemen in der Windenergie. Nun ging ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt mit dem Titel „Antikollisionssysteme in der Praxis“ zu Ende. Zum Abschluss des Projekts diskutierten rund 100 Personen in Berlin die Ergebnisse. Die Zumutbarkeit war dabei ein zentrales und kontroverses Thema.

Schleswig-Holstein setzt den Standard für Antikollisionssysteme in der Windenergie

Um Antikollisionssysteme in der Windenergie zu nutzen, müssen sie erst einmal am Markt verfügbar sein. Die Zahl der in Deutschland marktverfügbaren und erprobten oder in Erprobung befindlichen Systeme ist laut KNE überschaubar. Eine aktuelle Übersicht hat die Organisation selbst erstellt. Das KNE hat zudem bereits 2019 ein Anforderungsprofil für die Erprobung der AKS erstellt. Ein Teil der in der Übersicht aufgeführten Systeme hat bereits nachgewiesen, diese Kriterien zu erfüllen. Diese AKS erfassen Vögel zuverlässig und in ausreichendem Abstand zur Windenergie-Anlage. Manche der Systeme sollen sogar unterscheiden können, ob eine Krähe oder ein Rotmilan im Anflug ist.

Einen bundesweiten Standard, an dem sich die Wirksamkeit der Systeme festmachen lässt, gibt es bisher aber nicht. Als erstes Bundesland hat Schleswig-Holstein Mindestanforderungen zumindest als Fachkonventionsvorschlag veröffentlicht. Das KNE sieht darin den aktuellen Wissensstand dokumentiert. Daher solle der Vorschlag aus Schleswig-Holstein die Grundlage für die Erprobung und Validierung weiterer Systeme sein. Ein zentraler Aspekt sei dabei, dass eine unabhängige Prüforganisation in die Prüfung der Wirksamkeit des Systems einbezogen sein soll. Auch die Teilnehmenden der Veranstaltung in Berlin hätten den Vorschlag aus Schleswig-Holstein positiv gesehen. Mit Anpassungen lasse er sich auch auf andere Bundesländer übertragen, so der Tenor.

Bundesnaturschutzgesetz reduziert Vorteil der Antikollisionssysteme für Windenergie-Betreiber

Während sich die Systeme technisch weiterentwickeln, werden sie gesetzlich eher seltener gefordert. KNE-Projektleiterin Elke Bruns sieht in der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) einen Paradigmenwechsel für den Einsatz von Antikollisionssystemen. Vor der Novelle habe es für die Windenergie keine konfliktarmen Standorte mehr gegeben. Pauschale langfristige Abschaltungen hätten den Betrieb unwirtschaftlich gemacht. Damals seien die AKS ein Ausweg gewesen, indem sie geringe Ertragsverluste mit Vogelschutz vereinbar machten. Die Novelle des Naturschutzgesetzes sieht allerdings eine engere Zumutbarkeitsgrenze für Abschaltungen vor. Die Windenergie-Betreiber müssen also weniger Ertragsverluste in Kauf nehmen.

Der Umfang der möglichen Abschaltmaßnahmen ist dabei laut Naturschutzgesetz an die Höhe des Ertrags gekoppelt ist. Um AKS stärker zu priorisieren, müsste man diese Kopplung aufheben oder die Zumutbarkeitsgrenze anheben, so Bruns. Die Chancen darauf, mit diesem Vorschlag politisch Gehör zu finden, seien allerdings gering.

Bereits Bruns‘ Denkanstoß auf der Veranstaltung sei unter den Teilnehmenden auf Kritik gestoßen. Sie gaben zu bedenken, dass Standorte, an denen AKS besonders geeignet seien, wirtschaftlich teilweise gar keinen Spielraum dafür böten.  

Wie hoch ist der Ertragsverlust durch Antikollisionssysteme in der Windenergie?

KNE-Rechtsreferentin Jenny Lassmann und Tim Steinkamp vom Umweltplanungsbüro Arsu zeigten, dass es voraussichtlich durchaus Fälle geben wird, in denen der Betrieb eine AKS als zumutbar gelten wird. Steinkamp wertete dazu Daten aus einem Testsystem aus. Der demnach zu erwartende Ertragsverlust lag deutlich unter 3 Prozent – dem im Bundesnaturschutzgesetz festgelegten Pauschalwert. Das Gutachten mit weiteren Daten soll in Kürze veröffentlicht werden.

Eine weitere Möglichkeit, die Investitionen pro Windenergie-Anlage zu senken, könnte es sein, dasselbe AKS zur Überwachung von mehreren Anlagen einzusetzen, so das KNE.

Die Teilnehmenden seien sich einig gewesen, dass nicht bei allen Windenergie-Projekten Antikollisionssysteme gebraucht würden, es aber sinnvolle Standorte gebe. Nur welche genau das sind – darüber gab es verschiedene Meinungen. Kathrin Ammermann vom Bundesamt für Naturschutz bilanziert: „„Auch wenn sich die Rahmenbedingungen nicht günstig entwickelt haben: Fachlich gesehen sind AKS wegen ihrer hohen Vermeidungswirksamkeit eine gute Lösung.“

Quelle: KNE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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