EEG- und EnWG-Novelle: Neue (Ab-)Regelungen für Photovoltaik
Als sich führende Energierechtsexpert:innen Deutschlands am vergangenen Donnerstag zu den „26. Würzburger Gespräche zum Umweltenergierecht“ trafen, hatte das Ministerium von Robert Habeck für reichlich aktuellen Gesprächsstoff gesorgt. Am Vorabend hatte das Ministerium eine 288 Seiten starke Überarbeitung des Referentenentwurfs zur aktuellen Energierechtsnovelle an ausgewählte Interessenvertretungen zur kurzfristigen Stellungnahme binnen 48 Stunden verschickt. Der Inhalt war nicht unbedingt überraschend, aber im konkreten juristischen Wortlaut doch für manchen Branchenjustitiar ernüchternd.
Bereits seit Robert Habeck, Christian Lindner und Olaf Scholz Anfang Juli das Ampelpapier zur sogenannten „Wachstumsinitiative“ vorstellten, ist klar, wohin der Hase beim EEG ungefähr laufen soll. Mittelfristig will die Bundesregierung EEG-Förderungen von Einspeisevergütungen und Marktprämien auf Investitionskostenzuschüsse umstellen. Das würde nicht weniger als das Ende des erfolgreichen EEG-Prinzips der kostendeckenden Vergütung bedeuten. Das allerdings wird, mit Ausnahme eines Pilotversuchs, wohl erst spruchreif, wenn die derzeitige Koalition nicht mehr im Amt sein wird.
Mehr Systemverantwortung für Photovoltaik
Kurzfristig allerdings will das Wirtschaftsministerium die aktuellen Marktregeln so ändern, dass erneuerbare Energien mehr „Systemverantwortung“ übernehmen, wie es von Seiten des BMWK heißt (siehe Solarthemen+plus vom 23. Oktober). Hauptstoßrichtung ist dabei die Photovoltaik, deren Mittagsspitze im Sommerhalbjahr angesichts des deutschlandweit geplanten Ausbautempos von 22 Gigawatt pro Jahr zu steigenden Zeiten mit negativen Preisen führt, die Volkswirtschaft und Bundeshaushalt belasten. Darüber hinaus könnten nach Einschätzung des BMWK sogar schon im kommenden Jahr an verbrauchsarmen Tagen mit hoher Solarstrahlung – Stichwort: Pfingstmontag – ernsthafte Probleme im Stromnetz auftreten, falls es nicht gelinge, die wachsenden ungeregelten PV-Kapazitäten zu bändigen.
Das Rezept des Ministeriums dafür ist: „Mehr Markt, mehr Digitalisierung, mehr Speicher“. Um das zu erreichen plant das BMWK einige Restriktionen im EEG, die es jetzt neu in die laufende Gesetzesnovelle aufgenommen hat. Im Wesentlichen sind dies:
- sofortiger Förderstopp bei negativen Preisen
- Steuerbarkeit auch für kleinste Anlagen
- Direktvermarktungspflicht ab 25 kW
Nach dem Befreiungsschlag des Solarpakets 1 könnte also das lange angekündigte Solarpaket 2 eines werden, das der Photovoltaik neue Fesseln anlegt.
Pflicht zur Direktvermarktung ab 25 kW
Ab 25 kW sollen künftig alle neuen EE-Anlagen zur sogenannten Direktvermarktung verpflichtet und die Bestandsanlagen sollen mit Prämien für einen Wechsel zur Direktvermarktung interessiert und belohnt werden. Diesen Weg will das BMWK allerdings zur Einbahnstraße machen. Für eine EEG-Anlage, die einmal in der Marktprämie oder in der sonstigen Direktvermarktung war, soll es nach einem neuen Passus in § 21b des EEG keinen Weg zurück geben. Diesen Aspekt des BMWK-Plans möchte der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) allerdings verhindern. Der Verband argumentiert in seiner Stellungnahme: „Das dadurch entstehende Risiko des Anlagenbetreibers nicht mehr zur Einspeisevergütung zugeordnet werden zu können, wird bereits das Testen eines solchen Geschäftsmodells im ersten Ansatz ausschließen.“
Dagegen hilft dann möglicherweise auch die Prämie von 0,6 Cent pro Kilowattstunde nicht, mit der das BMWK Betreiber von Bestandsanlagen in die Direktvermarktung locken will.
Nach einem Stufenmodell will das BMWK die Schwelle zur verpflichtenden Direktvermarktung schon am 1. Januar 2025 für Neuanlagen von heute 100 kW auf 90 kW senken. Kleinere Anlagen können übergangsweise bis Ende 2028 noch Einspeisevergütungen erhalten, und zwar zwischen 75 und 90 kW bis zum Baujahr 2025 und unter 75 kW bis zum Baujahr 2026.
Neuer PV-Deckel bei 30 statt 70 Prozent
Alle Anlagen bis 100 kW der Baujahre bis einschließlich 2027 können allerdings ihre Direktvermarktungspflicht hinauszögern, indem sie ihre Einspeiseleistung technisch auf maximal 30 Prozent ihrer Peakleistung begrenzen. Das BMWK will also die kürzlich erst abgeschaffte 70-Prozent-Kappungsoption vorübergehend durch eine weitaus massivere Kappung bei 30 Prozent der Einspeiseleistung ersetzen. Um bei einer derartigen Leistungskappung keine großen Strommengen verfallen zu lassen, braucht es in den meisten Fällen neben einem entsprechenden Einspeisemanagement auch einen Speicher hinter dem Netzanschluss. Genau dies möchte das Ministerium anreizen.
Hingegen befürchtet der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) laut seiner Stellungnahme, dass ein „Zwang zur Direktvermarktung“ ab 25 kW zum jetzigen Zeitpunkt zu einem Markteinbruch im betroffenen Anlagensegment zwischen 25 und 100 kW führen würde. Zumal, so der BSW, eine massenhafte Steuerbarkeit der Anlagen über Smart Meter frühestens 2026 zu erwarten sei.
BMWK verlangt Steuerbarkeit für Photovoltaik ab 2 kWp
Erst recht stellt sich dieses Problem für das Vorhaben des BMWK, künftig keine PV-Anlage oberhalb der Steckersolar-Größe von 2000 Watt mehr in Betrieb gehen zu lassen, ohne dass deren Zustand für den Netzbetreiber automatisiert sichtbar und durch ihn steuerbar ist. Bislang liegt diese Grenze bei 25 kWp. Zugleich will das Ministerium aber die Anlagenbetreiber entlasten und stattdessen die Messstellenbetreiber in die Pflicht nehmen, Sicht- und Steuerbarkeit der kleinen Anlagen sicherzustellen.
Der Anlagenbetreiber muss künftig nach § 9 EEG lediglich an der Ausstattung durch den Messstellenbetreiber mitwirken, indem er beispielsweise für die Anbindung von Smartmeter und Steuerungsbox das erforderliche LAN-Datenkabel bis zum Zählerplatz für die Anbindung einer PV-Dachanlage vorhält.
Kappungsgrenze für Kleinanlagen bei 50 Prozent
Solange kleine PV-Anlagen zwischen 2 und 25 kW noch nicht mit Smart-Meter-Gateways ausgestattet werden können, soll ihre maximalen Einspeiseleistung laut dem BMWK-Entwurf pauschal auf 50 Prozent der installierten Leistung begrenzt werden. Das würde sich nicht nur für Volleinspeiseanlagen, sondern auch für typische Eigenverbrauchsanlagen ohne Speicher schmerzhaft bemerkbar machen. Umgehen könnten Betreiber neuer Anlagen die Kappung, indem sie sich für eine Form der Direktvermarktung entscheiden. Was bei derart kleinen Anlagen allerdings mit hohen Grundkosten verbunden ist, falls man überhaupt einen Vermarkter findet. Und wenn man erstmal in der Direktvermarktung drin ist, soll es – siehe oben – keinen Weg zurück geben. Nach den Vorstellungen des BMWK soll diese 50-Prozent-Regel bereits am 1.1.2025 ohne Übergangszeitraum in Kraft treten.
Der BSW-Solar kritisiert in seiner Stellungnahme energisch, „dass sich hier die Verzögerungen und Versäumnisse des Smart Meter Rollouts negativ auf die Anlagenbetreiber auswirken“. Er hielte es für „zielführender, den Aufbau von Großspeichern zu entfesseln und den erzeugten Solarstrom zu nutzen, anstatt sich auf eine großflächige Abregelung von Kleinstanlagen zu fokussieren.“ Der Verband fürchtet, dass dieses Signal private Eigenheimbesitzer stark verunsichern könnte. Angesichts der ohnehin stark rückläufigen Solarkonjunktur im Eigenheimsegment komme diese Regelung zur Unzeit.
Sofortiger Förderstopp bei negativen Strompreisen
Ein weiterer wesentlicher Ansatz der EEG-Novelle ist, dass künftig alle neuen EEG-Anlagen keine Marktprämien oder Einspeisevergütungen mehr erhalten sollen, sobald negative Börsenstrompreise auftreten. Wenn im kommenden Jahr die Strombörse von der heutigen stündlichen auf eine viertelstündliche Vermarktung umgestellt wird, wird also schon in der ersten Viertelstunde mit Negativpreis die Förderung für alle Neuanlagen entfallen. In der Gesetzesbegründung des BMWK zum betreffenden EEG-Paragrafen 51 heißt es: „Dadurch soll für die Anlagen ein Anreiz geschaffen werden, in Zeiten negativer Preise nicht einzuspeisen, indem sie in diesen Zeiten Eigenverbrauch betreiben oder den Strom zur späteren Nutzung oder Einspeisung einspeichern.“
Stufenplan zum EEG-Vergütungsstopp bei negativen Strompreisen
Zunächst soll dies ab dem 1. Januar 2025 alle neuen Anlagen ab 400 kW betreffen. Kleinere Anlagen mit Baujahr 2025 sollen im Zuge einer gestuften Übergangsregel zunächst verschont bleiben. Und für neue Anlagen, die weniger als 100 kWp leisten, soll die Regelung erst nach Ablauf des Kalenderjahres greifen, in dem sie einen Smart Meter erhalten haben. Denn ohne Smart Meter kann der Netzbetreiber die eingespeisten Stromflüsse nicht viertelstundengenau auslesen. Somit könnte auch keine entsprechende Abrechnung erfolgen.
Und sogar für alle netzgekoppelten Kleinstanlagen bis 2 kWp sieht das BMWK eine Streichung etwaiger Förderungen bei negativen Strompreisen vor. Zwar müssen Betreiber solcher Anlagen auf absehbare Zeit wohl keine Streichung ihrer Vergütung bei Negativpreisen erwarten. Denn vorher müsste zunächst die Bundesnetzagentur die Feststellung nach § 85(2)5 des EEG-Entwurfs treffen, dass diese Anlagen über eine hinreichende technische Ausstattung verfügen und hinreichende Massengeschäftstauglichkeit und Digitalisierung der Abrechnungsprozesse gegeben. Zwar geht das BMWK laut Gesetzesbegründung ausdrücklich nicht davon aus, „dass solche Kleinstanlagen mittelfristig in dem für die Anwendbarkeit des § 51 Absatz 1 EEG 2023 erforderlichen Maße digitalisiert und technisch ausgestattet werden können“. Allerdings möchte das Ministerium vermeiden, dass in den nächsten Jahren gebaute Anlagen, bei beim Vorliegen der technischen Möglichkeit Bestandsschutz genießen. Oder, wie BMWK-Unterabteilungsleiterin Dania Röpke vor den in Würzburg versammelten Energierechtler:innen sagte: „Die Neuanlagen von heute sind der Bestandsschutz von morgen.“
Photovoltaik saisonal angepasst für negative Preise entschädigen
Eine interessante Krücke haben sich die Beamt:innen des Wirtschaftsministeriums mit dem § 51a Absatz 1a ausgedacht. Er soll der Photovoltaik beim Ausgleich der während negativer Börsenpreise einbehaltenen Vergütungen gerecht zu werden. Während alle anderen erneuerbaren Energien die ausgefallenen Stunden am Ende als Verlängerung an den 20-jährigen Förderzeitraum angehängt bekommen, wären angehängte Zeiträume im Winter für PV-Betreiber ein schwacher Trost. Deshalb hat das BMWK jetzt auf Basis einer Ertragsdatenbank eine komplizierte Formel mit einer Tabelle zum saisonal gerechten Ausgleich entgangener Vergütungs-Viertelstunden entwickelt. Deren Erklärung füllt in der Gesetzesbegründung eine ganze Seite.
Der BEE hält von diesem Kompensationsvorschlag wenig. Den ganzen Aufwand könne die Politik sich sparen und bekomme viel einfacher ein netzverträgliches Einspeiseprofil für PV und andere Erneuerbare, indem sie die EEG-Vergütung anstelle des festen Zeitraums von 20 Jahren auf die Förderung eines begrenzten Strommengenkontingents umstellen würde. Die KWK-Förderung läuft seit Jahren nach diesem Prinzip. Ein solches – seit längerem vom BEE favorisiertes – System würde sich allerdings nicht mit der Ankündigung der Bundesregierung vertragen, statt EEG-Vergütungen künftig Investitionskostenzuschüsse zahlen zu wollen.
Für eine grundlegende Novelle sieht das BMWK offenbar den 31.12.2026 als Stichtag an. Denn mehrfach betonten leitende Beamt:innen des Ministeriums zuletzt, dass mit dem Jahr 2026 die Notifizierung der EU-Kommission für das deutsche EEG auslaufe. „Anfang 2027 werden wir ein neues Förderdesign brauchen“, sagte Röpke bei der Veranstaltung der Stiftung Umweltenergierecht in Würzburg und bestätigte damit eine Interpretation des BMWK, die auch ihr Vorgesetzter, Staatssekretär Philipp Nimmermann, bereits öffentlich gemacht hatte.
Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH