Unterwasser-Pumpspeicher am Meeresgrund vor Kalifornien
In einem Feldversuch mit einer Drei-Meter-Kugel im Bodensee haben Forschende des Fraunhofer IEE zusammen mit Partnern bereits nachgewiesen, dass das Konzept für den Unterwasser-Pumpspeicher funktioniert. Nun bereitet das Projektteam einen Testlauf vor Küste von Kalifornien vor. Dort wollen sie im Projekt „StEnSea“ in 500 bis 600 Metern Tiefe eine hohle, 400 Tonnen schwere Betonkugel mit neun Metern Durchmesser verankern.
Die Kugel bekommt oben eine Öffnung, in den eine Unterwasser-Motorpumpe, auch Pumpturbine genannt, in einem Rohr eingelassen wird. Geladen wird der Speicher, indem man ihn mit der elektrischen Pumpturbine leert. Zum Entladen wird ein Ventil geöffnet, sodass Wasser durch das Rohr in die Kugel hineinströmt. Die integrierte Pumpe läuft dabei rückwärts und arbeitet als Turbine, der Motor wird zum Generator, sodass Strom erzeugt wird. Damit wird der Speicher entladen. Die Technik basiert auf einer Arbeit von Prof. Dr. Horst Schmidt-Böcking and Dr. Gerhard Luther aus dem Jahr 2011. Ein Unterwasserkabel schafft dabei die Verbindung zum Stromnetz an Land oder zu einer schwimmenden Transformator-Station eines Offshore-Windparks. Die Leistung dieses Prototyps beträgt 500 kW, die Kapazität 400 kWh.
Energiespeicher für mehrere Stunden oder Tage
„Für das Speichern von Strom über mehrere Stunden bis einige Tage hinweg eignen sich Pumpspeicher-Kraftwerke besonders gut. Allerdings ist deren Ausbaupotenzial weltweit stark begrenzt“, Bernhard Ernst, Senior Projekt Manager beim Fraunhofer IEE. Für die Pumpspeicher ist an Land wie für klassische Wasserkraftwerke eine möglichst große Fallhöhe des Wassers erforderlich.
Am Meeresgrund seien die naturräumlichen und ökologischen Restriktionen weit geringer, so Ernst. „Zudem dürfte die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger deutlich höher sein.“ Das Fraunhofer IEE arbeitet bei diesem Projekt mit dem US-amerikanischen Start-up Sperra zusammen, das sich auf den 3D-Betondruck für Anwendungen im Bereich der erneuerbaren Energien spezialisiert hat.
3-D-Druck und eine Unterwasser-Motorpumpe sind Schlüsseltechnologien
Sperra wird die Betonkugel in Long Beach im 3D-Druckverfahren herstellen, womöglich in Kombination mit dem klassischen Betonbau. Zweiter Partner ist Pleuger Industries. Das deutschstämmige Unternehmen mit Hauptsitz in Miami gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Unterwasser-Motorpumpen, einer Schlüsselkomponente der StEnSea-Kugelspeicher.
Als Standort des Speichers haben die Partner ein küstennahes Gebiet vor Long Beach bei Los Angeles ausgewählt. Sie wollen ihn spätestens Ende 2026 in Betrieb nehmen. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert das Vorhaben mit knapp 3,4 Millionen Euro, das US-amerikanische Department of Energy mit rund vier Millionen US-Dollar.
Wassertiefen von 600 bis 800 Metern sind ideal für Unterwasser-Pumpspeicher
Kapazität und Leistung der Kugelspeicher hängen vor allem von zwei Faktoren ab: vom Volumen der Kugeln sowie von der Wassersäule, die auf ihnen lastet. Die Fachleute des Fraunhofer IEE haben errechnet, dass Wassertiefen von 600 bis 800 Metern aus wirtschaftlicher Perspektive ideal sind. In dieser Tiefe stünden der Druck, das nötige Kugelgewicht und die erforderliche Wandstärke im besten Verhältnis zueinander. Zudem könne man in dieser Tiefe noch konventionelle Unterwasser-Motorpumpen einsetzen und auf hochfesten Spezialbeton verzichten.
Mögliche Standorte für StEnSea-Kugelspeicher in dieser Wassertiefe gibt es mehr als genug, wie eine GIS-Analyse der küstennahen Meeresgebiete zeigt. Dabei haben die Fachleute des Fraunhofer IEE Parameter wie die Bodenneigung, Strömung, Sedimentverschiebung oder die Entfernung zum Land berücksichtigt. Möglichen Einsatzorte für den Unterwasser-Pumpspeicher sehen sie vor den Küsten von Norwegen, Portugal, der USA im Osten und Westen, Brasilien und Japan. Zudem eigne sich die Technologie für tiefe natürliche und künstliche Seen, beispielsweise für geflutete Tagebaue.
Globales Speicherpotenzial mehr als 800 TWh
Das globale Speicherpotenzial für die Unterwaser-Pumpspeicher liegt nach Berechnungen der Fraunhofer-Forschenden bei insgesamt 817 TWh. Nimmt man nur die laut der Analyse zehn besten europäischen Standorte, bleiben immer noch 166 TWh. Zum Vergleich: Die Kapazität der bestehenden deutschen Pumpspeicher-Kraftwerke an Land beträgt gerade einmal knapp 40 GWh, der Bruttostromverbrauch in Deutschland lag im Jahr 2023 bei rund 517 TWh.
Die Speicherkosten setzen die Forschenden des Fraunhofer IEE mit rund 4,6 Cent pro kW an, die Investitionskosten mit 1.354 Euro pro kW Leistung und 158 Euro pro kWh Kapazität. Die Lebensdauer der Betonkugel soll bei 50 bis 60 Jahren liegen. Nach jeweils 20 Jahren müssten Pumpturbine und Generator getauscht werden, so das Fraunhofer IEE. Die Effizienz liegt bezogen auf einen ganzen Speicherzyklus mit 75 bis 80 Prozent etwas niedriger als bei einem klassischen Pumpspeicher-Kraftwerk. Diese Rechnung basiert auf einem Speicherpark mit sechs Kugeln, einer Gesamtleistung von 30 MW und einer Kapazität von 120 MWh sowie 520 Speicherzyklen pro Jahr.
Die StEnSea-Kugelspeicher sollen sich vor allem für zwei Geschäftsmodelle eignen – zum einen für Arbitrage-Geschäfts, also den Kauf von Strom bei niedrigen und den Verkauf bei hohen Börsenpreisen, und zum anderen für die Bereitstellung von Regelleistung.
Unterwasser-Pumpspeicher-Kugel soll 30 Meter Durchmesser haben
Nach dem erfolgreichen Test im Bodensee soll sich der Kugelspeicher nun in großer Wassertiefe unter Offshore-Bedingungen bewähren. Das Projektteam will dabei alle Arbeitsschritte für die Herstellung, die Installation, den Betrieb und die Wartung untersuchen und bewerten. Ziel ist es, die Kugel auf 30 Meter Durchmesser zu skalieren. Ob das möglich ist, soll sich anhand des Tests vor Kalifornien zeigen. „Mit dem StEnSea-Kugelspeicher haben wir eine kostengünstige Technologie entwickelt, die sich vor allem für das Speichern über kurze bis mittlere Zeiträume bestens eignet. Mit dem Testlauf vor der US-Küste machen wir einen großen Schritt zur Skalierung und Kommerzialisierung dieses Speicherkonzeptes“, so Ernst.
Quelle: Fraunhofer IEE | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH