Fraunhofer ISE: wie Bund und Länder Klimaneutralität erreichen
Das Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme (ISE) hat berechnet, wie Deutschland auf Ebene der Bundesländer technologisch die Klimaneutralität schaffen kann. Dabei geht es um die Frage, wie die Transformation des Energiesystems bis 2045 dafür aussehen müsste. Mithilfe eines sektorenübergreifenden Energiesystemmodells haben die Forschenden kostenoptimierte Entwicklungspfade für die Bereiche Energiewirtschaft, Verkehr, Industrie und Gebäude – einschließlich der notwendigen Infrastrukturen – quantifiziert. Dabei bedienten sie sich verschiedener Szenarien.
Wie Fraunhofer ISE mitteilte, ist die Transformation des Energiesystems hin zu Klimaneutralität längst in vollem Gange. Konkrete regionale Umsetzungspläne gewinnen an Bedeutung, wie die Kommunale Wärmeplanung. Die Studie »Wege zu einem Klimaneutralen Energiesystem: Bundesländer im Transformationsprozess« greife aktuelle Entwicklungen wie eine veränderte Nachfrage, geopolitische Unsicherheiten und Infrastrukturplanungen wie den Stromnetzausbau und das Wasserstoffkernnetz auf.
Die Studie lege durch eine räumlich aufgelöste Optimierung den Schwerpunkt auf die technische Transformation in den Bundesländern. Das eingesetzte Modell bilde das deutsche Energiesystem inklusive Importe rechnerisch nach und berechne die günstigsten Transformationspfade. Im regionalisierten Modell ließen sich ferner Pfade für zehn Regionen in Deutschland darstellen. Diese berücksichtigten auch den Ausbau von Strom- und Wasserstoffnetzen. Die kostenoptimierten Transformationspfade können somit auch Orientierung für Entscheidungen auf Länderebene liefern.
Ausgehend von aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen untersucht die Studie vier Szenarien als mögliche Wege zur Klimaneutralität im Jahr 2045. Bei allen werden die deutschen Klimaziele einschließlich Klimaneutralität im Jahr 2045 erreicht und die Energieversorgung wird zu jeder Stunde in allen Verbrauchssektoren sichergestellt.
Verdoppelung der Stromnachfrage bis 2045
Laut Studienergebnissen ist die direkte Elektrifizierung dort, wo sie technisch möglich ist, gesamtsystemisch die kostengünstigste Option. So seien Wärmepumpen 2045 die dominierende Heiztechnologie, im Individualverkehr rollten fast ausschließlich batterie-elektrische Fahrzeuge auf den Straßen und der Elektrifizierungsgrad in der Industrie steige auf rund 70 Prozent. Durch den hohen Grad der Stromnutzung in den Verbrauchssektoren sei bis 2045 mit einer Verdoppelung der Stromnachfrage in allen Bundesländern zu rechnen. Zusätzlich dazu entwickele sich in den windreichen Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern mit der heimischen Wasserstoff-Elektrolyse ein großer neuer Stromverbraucher. Je nach Szenario sei im Jahr 2045 mit einem Gesamtstrombedarf zwischen 1.150 und 1.650 TWh zu rechnen.
Norden liefert ein Drittel der Primärenergie
Windenergie und Photovoltaik erwiesen sich ferner als die zentralen Stützen der Energiewende, weshalb in den Szenarien der Ausbau der Onshore-Windenergie auch in vermeintlich windschwachen Bundesländern erfolgt. Für 2045 zeige die Studie, dass Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern aufgrund des hohen Windkraftpotenzials ein Drittel der deutschen Primärenergie bereitstellen und Power-to-X-Technologien stark zunehmen. Die Elektrolyse wird eine zentrale Rolle in der flexiblen Stromaufnahme spielen, weshalb im Norden ein Großteil der erwarteten rund 65 GW Elektrolysekapazität installiert wird. In den von Photovoltaik geprägten Bundesländern werden dagegen vermehrt Batteriespeicher installiert.
Für eine optimale Energieverteilung zwischen dem Norden und den industriestarken Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern sei neben der Wasserstoffinfrastruktur der Stromnetzausbau zentral, besonders die Nord-Süd- und Nord-West-Verbindungen. Für Wasserstoff – vor allem für Hochtemperaturprozesse und zur stofflichen Nutzung in der Industrie nötig – liege der Speicherbedarf bei mindestens 130 TWh.
Um die großen regionalen Unterschiede von Erzeugung und Bedarf auszugleichen, spiele in allen Szenarien die Flexibilisierung der Stromnachfrage eine große Rolle. Alle Bundesländern nutzten flexible Gas- und Wasserstoffkraftwerke zur Netzstabilisierung und E-Fahrzeuge und stationäre Batteriespeicher als Kurzzeitspeicher.
Zweistellige Milliarden-Kosten
Die Kosten für die Transformation im Vergleich zum Fortschreiben des heutigen Systems belaufen sich im Szenario »Technologieoffen« im Mittel über die nächsten 25 Jahre auf rund 52 Mrd. Euro pro Jahr. Das entspricht rund 1,2 Prozent des heutigen Bruttoinlandprodukts. Dort ergeben sich für die Jahre 2024 bis 2045 zudem mittlere CO2-Vermeidungskosten von knapp 220 Euro pro Tonne. Im Szenario »Effizienz« seien die Transformationskosten aufgrund der geringeren Energienachfrage mit knapp 90 Euro pro Tonne CO2deutlich geringer. Ein Festhalten an konventionellen Technologien sowie ein verzögerter Ausbau von Erneuerbaren Energien im Szenario »Beharrung« führten dagegen zu den höchsten Transformationskosten, die in mittleren Vermeidungskosten von knapp 320 Euro pro Tonne CO2resultierten. Dies ergebe sich insbesondere aus den höheren Importmengen synthetischer Energieträger und einem verstärkten, für das Erreichen der Klimaziele notwendigen Einsatz von Negativemissionstechnologien.
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