Anke Weidlich: Beim Photovoltaik-Ausbau bin ich sehr zuversichtlich

Portraitfoto von Prof. Dr. Anke WeidlichFoto: Inatech
Prof. Dr. Anke Weidlich vom Inatech der Uni Freiburg.
Prof. Dr. Anke Weidlich ist Professorin für Technologien der Energieverteilung am Institut für Nachhaltige Technische Systeme (INATECH) der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Sie ist neben zahlreichen anderen Funktionen Mitglied der vom Bundeswirtschaftsministerium berufenen Expertenkommission für das Monitoring der Energiewende. Im Solarthemen-Interview spricht die Professorin über den von sinkenden Kosten getriebenen PV-Boom und die damit wachsende Rolle der Photovoltaik für die Energiewende. Ihr Thema sind auch politische Konzepte, die fluktuierende Solarenergie zu zähmen. Die Zukunft der PV-Konjunktur sieht sie trotz der aktuellen politischen Erdbeben optimistisch.

Anke Weidlich: In dem Bericht kommt die Photovoltaik als Teil des Ausbaus aller erneuerbaren Kapazitäten vor, den Bereich haben wir insgesamt auf Gelb gesetzt. Der Ausbau der Windenergie war bisher zu schwach. Wenn wir den Ausbau der Photovoltaik einzeln bewertet hätten, dann wäre die PV-Ampel sicherlich auf Grün. Denn wir orientieren uns ja an den Zielen des EEG. Da stehen für dieses Jahr 88 Gigawatt PV drin, und wir sind jetzt schon bei 95 Gigawatt. Auch weltweit hebt die PV wahnsinnig ab. Die IEA geht davon aus, dass Photovoltaik 80 Prozent der bis 2030 neu installierten erneuerbaren Erzeugungskapazität ausmachen wird.

Ja, bei den Prognosen gibt es recht große Bandbreiten. Es reicht bis zu mehr als 460 Gigawatt 2045 im jüngsten Szenario von Agora Energiewende. Die Grundtendenz ist aber, dass wir von beidem, von Wind und von PV, viel brauchen werden. Jüngere Studien weisen meist einen höheren Anteil von PV gegenüber anderen erneuerbaren Energien aus als ältere Studien.

Ja, die Gleichzeitigkeit der Erzeugung ist eine Herausforderung. Das saiso­nale Ungleichgewicht ist aber nicht überall in Europa gleich. In Südeuropa gibt es eine hohe Last im Sommer durch Klimatisierung. Durch Ausgleiche im europäischen Verbundnetz kann Deutschland bereits heute viel Flexibilität nutzen. Aber ja: Ein Großteil Europas liegt in der ähnlichen Klimazone wie Deutschland. Somit ist die Last hier insgesamt im Winter am größten, während die solare Einstrahlung schwächer ist und nur wenige Stunden am Tag.

Ja, auch Abregelung wird vorkommen. Durch Flexibilität bei der Stromnachfrage und auch durch neue Speicher wird man noch viel rausholen können, aber es wird sich ökonomisch nicht lohnen, jede einzelne Kilowattstunde zu nutzen, weil die größten Erzeugungsspitzen nur in wenigen Stunden auftreten.

Laut den Szenarienrechnungen, die das Kostenoptimum ermitteln, wird immer ein gewisser Teil abgeregelt. Aber natürlich wächst auch die Nutzung durch Flexibilitäten. Neben Batteriespeichern, die den Solarüberschuss des Tages in die Nacht retten, werden Elektrolyseure ein wichtiger Teil sein. Aber einen Elektroniseur zu installieren, der dann nur den PV-Überschuss abnähme, wäre ja auch eine sehr teure Investition. Ich glaube, es werden eher die Batterien das Rennen machen, weil die eine ähnliche Kostendynamik haben wie die Photovoltaik. Die werden auch superbillig. Allein die Übertragungsnetzbetreiber haben schon Anschlussbegehren für 160 Gigawatt an Batterien vorliegen. Das ist absurd viel. Wir haben also auch bei den Batterien eine irre Dynamik.

Ja und nein. Ich bin mir sicher, dass das Thema Großspeicher enorm Fahrt aufnehmen wird, wobei das sehr stark vom Strommarktdesign abhängt. Im Moment profitieren Batterien davon, dass sie von Netzentgelten befreit sind. Das ist aber eine Übergangsregelung; man muss schauen, ob es dabei bleibt. Die Preisunterschiede kommen im Moment ausschließlich von der Strombörse, unabhängig von Netzengpässen. Das macht Batterien sehr attraktiv. Potenziell könnten sie natürlich dazu beitragen, Netze zu entlasten. Aber dafür gibt es im aktuellen Regime keinen Anreiz. Derzeit schaut man also vor allem auf die Preisunterschiede im Strommarkt, und die sehen sehr attraktiv aus. So kommt das Thema auch ins Blickfeld großer Player.

Aber Skalierbarkeit spielt für die Kosten keine so große Rolle. Im Gegenteil ist es ein Vorteil der Batterien, ähnlich wie bei der Photovoltaik, dass „groß gleich billig” hier nicht so stark gilt wie bei thermischen Kraftwerken oder auch bei anderen erneuerbaren Energien, etwa der Windkraft. PV und Batterien gehen sowohl groß als auch klein. Das ist total spannend.

Das A und O ist natürlich, dass es eine Form von Steuerbarkeit gibt und auch eine Reaktion auf Preissignale. Und das ideale Preissignal würde natürlich auch Netzengpässe schon in irgendeiner Form abbilden. Das heißt, wir brauchen Weiterentwicklung beim Marktdesign, sodass diese lokalen Gegebenheiten im Preis reflektiert sind. Und wir brauchen Weiterentwicklung in der Förderung. Es muss für die Anlagen ökonomisch sein, auf die Preissignale zu reagieren. Wir kommen da in den nächsten Jahren, wenn wir nichts tun, in Probleme. Bisher ist alles gut gegangen.

Ich hoffe, dass sich die politischen Entscheidungsträger zusammenraufen und dass Dinge, die nicht parteipolitisch gefärbt sind, dann auch realisiert werden. An der Steuerbarkeit von PV-Anlagen und deren Reaktion auf Preissignale haben alle Seiten Interesse. Parteipolitisch ist nicht umstritten, dass es wichtig ist, die PV-Spitzen zu beherrschen. Aber wenn jetzt erst mal die Regierung gelähmt ist, dann besteht natürlich die Gefahr, dass wichtige Vorhaben liegen bleiben.

Also, wenn ich die Netzbetreiber reden höre, dann sagen die, es sei durchaus möglich, dass wir schon 2025 Probleme bekommen werden mit dem PV-Überschuss. Das hängt auch vom Wetter ab, zum Beispiel an Pfingsten und Ostern, wenn der PV-Überschuss schon in der Vergangenheit hoch war.

Es ist ja so, dass die Übertragungsnetzbetreiber den PV-Strom von den vergüteten Anlagen auf den Markt bringen müssen. Und wenn ein Problem auftritt, ist das Erste, dass zu viele preisunabhängige Gebote auf den Markt kommen, also Gebote, die in der ersten Priorität berücksichtigt werden würden. Wenn es davon zu viele gibt, dann werden die Gebote „pro rata”, also anteilig, ausgeführt. Es bleiben dann Gebote unausgeführt.

Der Übertragungsnetzbetreiber hat den Strom also nicht auf dem Day-Ahead-Markt verkauft, aber er wird trotzdem ins Netz eingespeist, denn die Anlagen gehen ja darauf nicht ein. Jetzt muss er versuchen, den Strom auf dem Intraday-Markt noch zu verkaufen. Aber da wird es nicht besser gelingen, weil die Nachfrage immer noch nicht reicht. Der nächste Schritt wäre dann, Sekundärregelleistung einzusetzen, die eigentlich für andere Dinge geplant ist. Deshalb ist das von der Menge her schwierig – es sind nur wenige Gigawatt. Sollte das nicht ausreichen, würde die Netzfrequenz ansteigen, sodass in ganz Europa die negative Primärregelleistung an­sprin­gt. Nur wenn die gesamte Regelleistung nicht ausreichen würde, um die Frequenz zu stabilisieren und einige weitere Notmechanismen nicht griffen, wäre ein Blackout die Konsequenz. Aber da sind doch einige Eskalationsstufen davor.

Ja, da bricht nicht alles gleich zusammen, aber es wäre superteuer – die Anlagenbetreiber bekommen in diesen Stunden trotzdem ihre Einspeisevergütungen.

Ich würde sagen, für den PV-Ausbau bleibt sie auf Grün, weil es fast unabhängig ist von der politischen Ausrichtung. Man muss kein grüner Enthusiast sein, um sich eine PV-Anlage auf dem Dach zu installieren. Und auch für viele Unternehmen ist das ein No-Brainer. Ich glaube, dass diese Dynamik jetzt, egal wie es politisch weitergeht, nicht abnehmen wird – auch in den USA nicht. Es gibt allen Grund zur Sorge, aber beim PV-Ausbau bin ich nach wie vor sehr zuversichtlich.

Interview: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH

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