Rotorblätter für Windenergie: Aerodynamik bis zur Nabe bringt mehr Ertrag
Ein Forschungsteam der FH Kiel hat die Aerodynamik der Rotorblättern für große Windenergie-Anlagen untersucht. Der Schwerpunkt lag auf dem Übergangsbereich der Rotorblätter in Richtung Nabe, der etwa 20 Prozent des Blatts ausmacht. Dieser werde bislang nicht nach Gesichtspunkten der Aerodynamik entworfen, heißt es in der Pressemitteilung. „In diesem Bereich ist der Flügel vergleichsweise dick, was eine kompliziertere Umströmung mit sich bringt“, erklärt Projektleiter Professor Alois Schaffarczyk.
Schaffarczyk hat sich als Professor für Technische Mechanik und Mathematik drei Jahrzehnte lang an der FH Kiel mit Windkraftanlagen und deren Optimierung befasst. Das Forschungsprojekt „Entwicklung und Vermessung von sehr dicken aerodynamischen Profilen für Windturbinenblätter“ war sein letztes Projekt als FH-Professor. Schaffarczyk wollte herausfinden, was passiert, wenn man das Profil des sogenannten Übergangsbereichs des Rotorblattes aerodynamisch auslegt. Unterstützt wurde er dabei von Zhong-Xia Wang (Gastwissenschaftler aus Beijing, China) und Brandon Lobo (Doktorand aus Indien).
Aerodynamik für Rotorblätter erst simuliert, dann im Windkanal getestet
Das Forschungsprojekt führten die Wissenschaftler an einem generischen Blatt der 10-MW-Klasse durch. Diese Windenergie-Anlagen sind speziell für den Offshore-Einsatz konzipiert. Die Nabenhöhe beträgt über 140 Meter, der Rotordurchmesser liegt bei rund 200 Metern, die Rotorblätter sind über 90 Meter lang. Der vom Team ins Visier genommene Bereich umfasst die inneren 15 Meter des Rotors. Die von der Luft umstrichene Oberfläche beträgt rund 750 Quadratmeter.
Die Forscher entwarfen mehrere geeignete Profile, identifizierten die Vielversprechendsten und simulierten ihr Strömungsverhalten mit sogenannten CFD-Modellen. Auf Basis dieser Berechnungen verfeinerte das Projektteam das Profil und baute das Blattprofil mit den besten Eigenschaften als reales Modell. Beim Bau des Modells unterstützte das Rendsburger Unternehmen Aerovide. Die Deutsche Windguard Engineering begleitete die gesamten Entwicklungsprozesse und brachte ihr Know-how aus Untersuchungen an Rotorblättern im Freifeld und im Windkanal ein.
Im Großwindkanal der Deutschen Windguard in Bremerhaven führte das Team aerodynamische Messungen durch. Das Ergebnis: Das im Projekt entwickelte aerodynamische Profil ermöglicht einen bis zu vier Prozent höheren Stromertrag. „Das wäre extrem viel“, betont Prof. Dr. Alois Schaffarczyk, „damit könnte der Gewinn maßgeblich gesteigert werden.“
Aerodynamische Hilfsmittel könnten Ertrag weiter steigern
Zusätzlich berücksichtigte das Projektteam aerodynamische Hilfsmittel wie sogenannte Vortex-Generatoren und Splitterplatten. Beide können im Nachhinein an Rotorblätter angebracht werden, zum Beispiel im Rahmen regulärer Wartungsarbeiten. Sie helfen, den aerodynamischen Wirkungsgrad der Rotorblätter zu optimieren und Strömungsabrisse zu reduzieren. „Beim Einsatz dieser aerodynamischen Hilfsmittel konnten wir sogar zusätzliche signifikante Veränderungen der Auftriebs- und Widerstandseigenschaften beobachten und damit eine weitere Leistungssteigerung“, erklärt Nicholas Balaresque, Geschäftsführer der Deutschen Windguard. „Wir sind überzeugt davon, mit unserem Forschungsprojekt eine wichtige technologische Lücke geschlossen zu haben“, sagt Professor Schaffarczyk. „Es wäre wirklich bedauerlich, wenn Anlagenhersteller diese Chance zur Ertragssteigerung nicht nutzen würden.“ Das Projekt wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit rund 230.000 Euro gefördert.
An den Rotorblättern als Kernkomponente der Windenergie gibt es immer wieder Verbesserungen. Ihre Fertigung ist noch immer in weiten Teilen Handarbeit, doch es gibt erste Versuche mit Robotern.
Quelle: FH Kiel | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH