Innovative Technologien für Tiefe Geothermie aus der Schweiz

Menschen mit Helm und gelben Warnwesten unter Tage - Die ETH Zürich erforscht Innovative Verfahren für Tiefe Geothermie.Foto: WSS, Felix Wey, Baden
ETH-Forschende überprüfen mit einer Kamerasonde, ob der Sensor im Bohrloch richtig platziert ist.
Während Erdwärmesonden verbreitet sind, steht die Schweiz bei Tiefengeothermie-Projekten noch am Anfang. Das sollen die Arbeiten mehrerer Forschungsgruppen der ETH Zürich ändern, die mehrere innovative Konzepte verfolgen.   

Die Durchlässigkeit des Gesteins im Untergrund ist für die Tiefe Geothermie bisher ein limitierender Faktor, denn sie ist von der Oberfläche schwer abzuschätzen. Bleibt das Bohrloch trocken, sind Millionen Investitionen buchstäblich versenkt. Sogenannte Enhanced Geothermal Systems (EGS), bei denen Spalten durch hydraulische Stimulation in der Tiefe erweitert werden, könnten das ändern. Doch sie haben sich bisher nicht durchgesetzt. Das Verfahren ist aufwändig, und die Sorge vor Erdbeben groß. Zudem können Mineralablagerungen die Spalten im Gestein mit der Zeit wieder zusetzen. Aus der Schweiz könnte Abhilfe kommen: An der ETH Zürich entstehen innovative Technologien für die Tiefe Geothermie.

Erdbeben-Risiko bei Geothermie-Projekten mit Machine Learning minimieren

Das Erdbebenrisiko sei bereits durch Fortschritte in den letzten Jahren geringer geworden, erklären die Forschenden der ETH Zürich. Im BedrettoLab im Schweizer Fels forscht ein Team um Stefan Wiemer, Professor am Departement Erd- und Planetenwissenschaften der ETH Zürich und Direktor des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED), an neuen Methoden, um EGS sicherer zu machen. Die Wissenschaftler wollen dafür viele kleine, kontrollierte Stimulationen in isolierten Zonen des Bohrlochs nutzen. Die kleinen Erschütterungen seien nötig, um die Risse im Fels zu erzeugen. Größere Beben sollen allerdings vermieden werden.

Die Erkenntnisse aus dem BedrettoLab sollen in die Pläne für ein Geothermie-Pilotkraftwerks in der Gemeinde Haute-Sorne im Kanton Jura einfließen. Forschende der ETH Zürich sind dabei im Auftrag des Kantons auch für die seismische Überwachung zuständig. Sensoren in den Bohrlöchern senden in Echtzeit große Mengen an seismologischen und hydraulischen Daten an die Forschenden. Ein eigens entwickeltes Maschine-Learning-Modell berechnet mit diesen Daten permanent, wie viele Beben oberhalb eines bestimmten Grenzwerts zu erwarten sind, sofern die geplante Stimulation fortgeführt wird. Drohen Grenzwerte überschritten zu werden, schlägt das System Alarm. Es schlägt auch Anpassungen vor, um größere Erschütterungen zu vermeiden.

Laut Wiemer haben sich die Voraussetzungen für EGS in den letzten 20 Jahren deutlich verändert. Es lassen sich viel mehr Daten erheben und dank KI in Echtzeit verarbeiten. Das führt zu mehr Kontrolle. So ließen sich Risiken zwar nicht ganz ausschließen, aber besser verstehen und minimieren.

Geschlossenes Rohrsystem im Untergrund soll Tiefe Geothermie überall ermöglichen

Einen anderen Ansatz verfolg die Forschungsgruppe um Martin Saar, Professor für Geothermische Energie und Geofluide im Departement der Erd- und Planetenwissenschaften an der ETH Zürich. Saars Team arbeitet an geschlossenen Rohrsystemen im Untergrund. Auf einen solchen Ansatz setzt auch die kanadische Firma Eavor, über die der Solarserver berichtete.

Das Verfahren soll unabhängig von der Geologie funktionieren und nur geringe Erdbebenrisiken bergen. Durch die Rohre soll nicht Wasser, sondern CO₂ zirkulieren, um den Wirkungsgrad des geothermischen Kraftwerkes zu steigern. Da sich das CO2 in der Tiefe erwärmt und ausdehnt, steigt es ohne Pumpenergie wieder auf. An der Oberfläche soll es in einer Turbine expandiert werden, um Strom zu erzeugen. Deep closed-loop Advanced Geothermal System (AGS) ist der Name dieses Ansatzes.

AGS könnten die fluktuierenden Energiequellen Wind und Sonne ergänzen. Durch den Einsatz von CO₂ anstelle von zähflüssigerem Wasser als Energieträger könne die Wärmegewinnung und damit auch die Stromproduktion um das Zwei- bis Dreifache gesteigert werden, heißt es. Ein Nachteil sind bisher die hohen Bohrkosten. Doch das Team der ETH macht Hoffnung: Die Kosten des traditionellen Rotary-Bohrens seien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Zudem werde sowohl am ETH als auch in anderen Organisationen an kontaktlosen Bohrverfahren gearbeitet, die wie Science-Fiction klingen: Blitze oder Mikrowellen könnten die Kosten des Tiefbohrens zukünftig enorm verringern, heißt es im Bericht der ETH.

CCS mit Geothermie kombinieren

Ein weiterer Ansatz von Saars namens „CO2-Plume Geothermal“ (CPG) kombiniert Tiefengeothermie mit Carbon Capture and Storage (CCS). Beim CCS geht es darum, CO2 der Atmosphäre zu entziehen und dauerhaft in geologischen Reservoiren zu speichern. Wie beim AGS soll das erwärmte CO2 bei der CPG-Technologie in einem geschlossenen Kreislauf an die Oberfläche kommen und in einer Turbine Energie abgeben. Abgekühlt fließt es dann zurück in den Untergrund. Ein praktischer Nebeneffekt: Durch das Entziehen von Wärme wird das CO2 wieder dichter. So kann mehr davon im Untergrund gespeichert werden.

Am CPG-Konzept arbeiten auch die Industriepartner Shell, Petrobras, Holcim und Ad Terra Energy. Ein 2023 gegründetes CPG-Konsortium evaluiert Standorte für eine Pilotanlage, um die technische Machbarkeit in einem kommerziellen Maßstab nachzuweisen. Unterstützung kommt vom Bundesamt für Energie.

Weiterhin untersuchen die Forschenden m BedrettoLab, wie sich Erdwärmesonden in mittleren Tiefen von einigen hundert Metern nutzen lassen, um Wärme saisonal in kristallinem Gestein zu speichern. Auch hier sind hohe Bohrkosten und wenig Wissen über den Untergrund ein Problem. Da es in der Schweiz kaum Öl- und Gasvorkommen gibt, liegen deutlich weniger Daten vor als in anderen Ländern.

Quelle: ETH Zürich | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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