Bundestag: Sachverständige wollen Beschluss des EEG-/EnWG-Entwurfs

Photovoltaik auf einem Dach in einer EinfamilienhaussiedlungFoto: Guido Bröer
Photovoltaikanlagen sollen künftig netzdienlicher einspeisen, wenn sie EEG-Förderung erhalten.
In einer Bundestags-Anhörung haben sich heute alle geladenen Expert:innen für eine Novelle des Energiewirtschaftsrechts noch vor der Bundestagswahl ausgesprochen. Der Gesetzentwurf adressiert unter anderem die Steuerbarkeit und Begrenzung von Einspeisespitzen der Photovoltaikanlagen sowie die Nutzung der Flexibilität aus PV-Speichern.

In der Anhörung des Ausschusses für Energie- und Klimaschutz des Deutschen Bundestages zeigte sich eine seltene Einmütigkeit. Alle Expert:innen, die – wie immer in solchen Anhörungen – von unterschiedlichen politischen Parteien eingeladen worden waren, setzten sich dafür ein, das Gesetzgebungsverfahren mit dem im Vorfeld auf dringende Änderungen reduzierten Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode zum Abschluss zu bringen.

Beschließen ist besser als Nichtbeschließen

Natürlich nutzten alle vertretenen Organisationen in ihren Stellungnahmen die Gelegenheit um jeweils Änderungen im Detail anzuregen. Doch wenn sich die Bundestagsfraktionen als ebenso kompromissfähig erweisen, wie sich die von ihnen geladenen Fachleute heute dem Ausschuss präsentierten, dann könnte die Energierechtsänderung eine realistische Chance haben, vor der Wahl verabschiedet zu werden. Besonders deutlich wurde dies nach einer Frage der grünen Bundestagsabgeordneten Ingrid Nestle. Sie wollte von allen Sachverständigen wissen, ob sie empfehlen würden, den Gesetzentwurf in der von der Koalition aus SPD und Grünen vorgelegten Form zu verabschieden, falls es in der verbleibenden Zeit nicht möglich sein sollte, sich auf weitere Änderungen zu verständigen. Alle 10 Expert:innen, immerhin von fünf Bundestagsparteien gemäß ihrer unterschiedlichen politischen Tendenz eingeladen, bejahten diese Frage eindeutig.

Ob die Novelle tasächlich durchgeht, hängt aber wohl nicht nur von der überparteilichen Einigkeit von Expert:innen und Fachpolitiker:innen ab, sondern auch von den Wahlkampfstrategien und dem Priorisierungswillen der Fraktionsspitzen, insbesondere von CDU/CSU und/oder FDP.

Im Detail geht es in dem Gesetzentwurf um eine ganze Reihe von als dringend eingestuften Änderungen am Energierecht, über die der Infodienst Solarthemen mehrfach, zuletzt vor Weihnachten, berichtet hatte. Die Eingriffe in Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) und in weitere Regelwerke des Energierechts sollen vor allem dazu dienen, das Stromsystem flexibler zu machen, Netzanschlüsse zu vereinfachen, Stromspitzen – vor allem solche durch Photovoltaik im Sommer – zu glätten. Ein wesentlicher Aspekt sind dabei auch neue Vorgaben für die Digitalisierung des Stromsystems mittels erheblicher Änderungen am MsbG.

Regelbarkeit von Photovoltaikanlagen

Der Gesetzentwurf soll – wenn er denn beschlossen würde – einen Großteil aller neuen Photovoltaikanlagen betreffen. Anlagen ab 2 kW, die neu ans Netz gehen, sollen vonseiten des Netzbetreibers prinzipiell steuerbar – also bei Netzüberlastung abzuregeln – sein. Solange das bei vielen Anlagen aufgrund fehlender Smart Meter mit Steuerungsboxen noch nicht möglich ist, soll eine Einspeisebegrenzung auf 60 Prozent der Peakleistung gelten. Die Begrenzung dieser Anlagen zwischen 2 und 100 kWp gilt aber nur, sofern die Anlage eine feste Einspeisevergütung oder den Mieterstromzuschlag beansprucht. Für Anlagen in der Direktvermarktung ändert die Wirkleistungsbegrenzung nichts.

Stoppen will die Bundesregierung außerdem die EEG-Förderung zu Zeiten negativer Börsenstrompreise. Das soll nach Einbau der Smartmeter auch wesentlich kleinere Anlagen betreffen als bisher. Die dadurch entfallenden Förderzeiträume würden viertelstunden-genau an den 20-jährigen EEG-Förderzeitraum angehängt. Um diesen schon jetzt im EEG vorgesehenen Ausgleichsmechanismus für die Photovoltaik gerechter zu gestalten, soll der Gesetzgeber in § 51a EEG einen Ausgleichsmechanismus schaffen, der nach Kalendermonaten des Verlängerungszeitraums für PV eine unterschiedliche Anzahl von potenziellen Vollaststunden veranschlagt. Fällt die verlängerte Förderdauer für eine Anlage in die strahlungsarmen Wintermonate werden dafür weniger Vollast-Viertelstunden veranschlagt als in sonnigen Monaten. Für jeden Kalendermonat soll ein spezifischer Wert gelten.

Steuerbarkeit über Wechselrichter & Co.

Neu in dem geänderten Entwurf der Koalition ist eine Verordnungsermächtigung für die Bundesnetzagentur im § 94 EEG. Die Behörde würde damit in die Lage versetzt, für die Steuerbarkeit der PV-Anlagen durch die Netzbetreiber Alternativen zum Smart Meter zuzulassen. Angesichts der Verzögerungen beim Smart-Meter-Rollout würde damit eine Möglichkeit geschaffen, die massenhaft in Wechselrichtern, Batterie- und Energiemanagementsystemen systemen bereits vorhandene netzgebundene Steuerungssoftware zur Stabilisierung des Stromnetzes in Engpasssituationen einzusetzen. Die Solarbranche macht sich seit längerem für eine solche Nutzung bereits vorhandener Hard- und Software stark. Dies könnte nun zumindest übergangsweise bis zum endgültigen Rollout der Smart Meter eine Lösung sein.

PV-Speicher netzdienlich nutzen

Spannend sind auch die EEG-Änderungen im § 19, mit denen der netzdienliche Einsatz von Stromspeichern in Verbindung mit Photovoltaikanlagen angereizt werden soll. Neu ist hier die sogenannte „Pauschaloption”, die im Absatz 3c beschrieben wird. PV-Betreiber mit einem netzgekoppelten Speicher und einer PV-Anlage von nicht mehr als 30 kWp, die nicht ausschließlich ihren PV-Strom zwischenspeichern, sollen diese Pauschaloption künftig wählen können. Damit erwerben sie das Recht jährlich bis zu 500 kWh pro kWp PV-Leistung zum jeweiligen EEG-Fördersatz der PV-Anlage ins Netz einzuspeisen. Mit dieser in der Bundesnetzagentur ersonnenen Neuerung könnten PV-Speicher-Besitzer:innen ihre vorhandene Flexibilität aktiv netzdienlich einsetzen.

Morgens den PV-Speicher leeren

Der in der Anhörung durch Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig vertretene Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) begrüßt die Pauschaloption. Er verspricht sich davon, dass es sich für Betreiber von Heimspeichern, die heute in der Sommersaison oft schon vormittags voll sind, weil noch reichlich Kilowattstunden vom Vortag übrig geblieben sind, künftig ohne großen bürokratischen Aufwand lohnen werde, morgens im Sommer automatisch den Speicher in Richtung Netz zu entleeren. So entstünde Platz im Speicher, um ihn dann in der Mittagszeit füllen zu können, anstatt mit der Solarstromspitze das Netz zu fluten.

Laut der Gesetzesbegründung ist die förderfähige Strommenge von 500 kWh/kWp in der Pauschaloption „so bemessen, dass die Stromspeicher (und in entsprechender Anwendung Ladepunkte) bidirektional ohne Restriktionen auch zur Speicherung von „Graustrom“ aus dem Netz am Markt eingesetzt werden können, ohne dass es im Rahmen der üblichen Nutzungskonzepte bei der Netzeinspeisung zu einer unangemessenen Grünfärbung kommt.” Näheres zu dieser Pauschaloption soll die Bundesnetzagentur in einer Festlegung nach § 85d EEG regeln.

Überbauung der Netzverknüpfungspunkte

Nicht minder wichtig für einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren halten alle vom Bundestagsausschuss befragten Sachverständigen die im Gesetzentwurf ( § 17 EnWG und § 8a EEG) vorgesehenen Regelungen für flexible Netzanschlussvereinbarungen zwischen Netzbetreibern und Anlagenbetreibern. Sie ermöglichen eine von der Regenerativbranche seit langem geforderte sogenannte „Überbauung” von Netzverknüpfungspunkten (NVP). Beispiel: Bislang bekommt ein geplanter Solarpark mit 10 MWp keine Anschlusserlaubnis für einen auf 20 MW ausgelegten Netzverknüpfungspunkt, wenn dort bereits ein Windpark mit 15 MW am Netz ist. Gleiches gilt sogar für einen Stromspeicher, den die heutige Rechtslage nur als zusätzliche Last sieht. Künftig ließe sich das Problem mit einer flexiblen Netzanschlussvereinbarung, die im Kern eine freiwillige Leistungsbeschränkung enthält, zum Nutzen aller Beteiligten aus der Welt schaffen. Denn die wenigen Stunden, in denen der Windpark und die PV-Anlage gleichzeitig ihre volle Leistung erbringen würden, fallen kaum ins Gewicht. Und ein Speicher sollte ohnehin den Netzanschlusspunkt eher ent- als belasten.

Auch im Kontext der geplanten Flexibilisierung von Biogasanlagen, die mit einer Vervielfachung von deren Generatorleistung einhergeht, werden Netzanschlusspunkte regelmäßig an ihre nominalen Grenzen kommen, so dass flexible Netzanschlussvereinbarungen dem Netzbetreiber – zumindest übergangsweise bis zum Ausbau des Netzes in diesem Bereich – Luft verschaffen können, ohne den Ausbau der Erzeugungskapazität zu bremsen.

Biogas-Flexiblisierung mit Chance auf Bundestagsbeschluss

Eine ähnliche Einigkeit wie bei der EnWG/EEG-Novelle herrschte denn auch unter den Expertinnen, die heute zu einer Anhörung des Ausschusses zu einem weiteren Gesetzespaket geladen waren. Hier ging es zum einen um eine effizientere Flexibilisierung für bestehende Biogasanlagen, die ohne Anschlussförderung wohl in den kommenden Jahren vom Netz gehen müssten. Zum anderen geht es auch eine Fortsetzung für das KWK-Gesetz, das zwar erst Ende 2026 ausläuft, aber ohne dessen Verlängerung nach Einschätzung von Branchenvertreter:innen und zahlreichen Fachpolitiker:innen schon jetzt dringende Investitionsvorhaben im Bereich von Fernwärme- und Gebäudenetzen gefährdet wären.

Weitere Gesetzesvorhaben, über die gestern in den insgesamt vier Anhörungen des Energie- und Klimaschutz-Ausschusses gesprochen wurde, betrafen unter anderem das Treibhausgas-Emmissionshandelsgesetz, mögliche Baurechtsänderungen zur übergangsweisen Steuerung von Windkraftgenehmigungen außerhalb späterer Beschleunigungsgebiete („Lex Sauerland“), eine Änderung des Bundesbedarfsplans für den Stromnetzausbau und einen Bundeszuschuss zu den Übertragungsnetzkosten.

Um fraktionsübergreifend Änderungen an den verschiedenen Gesetzentwürfen auszuhandeln und womöglich lagerübergreifende Kompromisse zu schmieden, bleibt Fachpolitiker:innen und Fraktionsspitzen wohl nur noch Zeit bis zur kommenden Woche. Der Zeitplan des Bundestages in den verbleibenden Sitzungswochen während des Wahlkampfes ist eng.

Autor: Guido Bröer | Solarthemen Media GmbH

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