Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung kommt noch nicht in Fahrt

Gestern hatten der Bundesverband Solarwirtschaft und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) zu einer Pressekonferenz geladen. Es ging um die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung, jene neu geschaffene Möglichkeit zur Vermarktung von Solarstrom innerhalb von Gebäuden und Arealnetzen, mit der die Ampelkoalition die Mieterstromidee entbürokratisieren und endlich ins Fliegen bringen wollte. Doch ganz so einfach ist es nicht. Davon zeugt auch der 37-seitige gemeinsame Leitfaden, den BSW und GdW gestern der Öffentlichkeit vorgestellt haben und der ab so fort kostenlos allen Interessierten zum Download zur Verfügung steht.
Die Krux ist dabei die Messung und Berechnung der jeweiligen Strommengen und die (digitale) Kommunikation zwischen allen daran Beteiligten: Netzbetreiber, Messstellenbetreiber, Stromlieferant, PV-Anlagenbetreiber. Denn während der Gesetzgeber mit der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung (GGV) ein Alternativmodell zum klassischen Mieterstrom einführt, das den Anbieter des Solarstroms vom Dach von viel Bürokratie entlasten soll, ist das damit verbundene Messkonzept nicht ohne. Ein viertelstundengenauer Abgleich zwischen der Stromerzeugung auf dem Dach und den Verbräuchen der einzelnen Stromabnehmer ist Grundveraussetzung des in § 42b des Energiewirtschaftsgesetzes festgelegten Modells. Außerdem müssen diese Solarstrommengen nach einem zuvor festgelegten Schlüssel statisch oder dynamisch viertelstundengenau verteilt werden. Diese Verteilung wiederum wirkt zurück auf die Messung und Berechnung der Reststrommengen, die jeder an der PV-Gebäudeversorgung teilnehmende Letztverbraucher weiterhin beim Stromlieferanten seiner Wahl bezieht.
Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung zwischen Theorie und Praxis
BSW und GdW konstatieren in ihrem Leitfaden: „An der zuverlässigen Umsetzung der Messungen und Abrechnungen auf Basis der rechnerisch ermittelten Messwerte hängt das gesamte Geschäft des Betreibers der Gebäudestromanlage. Hakt die Umsetzung, weil Elektriker, Netzbetreiber und Messstellenbetreiber sich nicht gut koordinieren, oder die Daten der Smartmeter nicht ausgelesen oder nicht richtig verarbeitet werden können, fehlen die Grundlagen, Gebäudestrom zu liefern beziehungsweise abzurechnen.“
Dabei zeigen sich beide Verbände sehr zuversichtlich, dass diese mit dem neuen GGV-Modell verbundenen technischen Probleme in den Griff zu bekommen sind. Mit ihrem Leitfaden wollen sie den Beteiligten dabei helfen – was auch bitter nötig erscheint, denn auch zehn Monate nach dem Inkrafttreten der gesetzlichen Grundlagen gibt es noch kaum praktische Erfahrungen mit der GGV. Die im GdW organisierten Mitgliedsunternehmen zeigten sich zwar weit überwiegend sehr interessiert an dem neuen Modell, belegen die beiden Verbände mit einer Umfrage. Doch konkrete Projekte muss man mit der Lupe suchen, und mit Statistiken über solche konnten die Verbände bei der gestrigen PK deshalb noch nicht aufwarten.
Marktkommunikation für GGV fehlt
Das scheint vor allem daran zu liegen, dass es für die sogenannte Marktkommunikation zwischen den Beteiligten noch keinerlei Standards oder gar Routinen gibt. Die Folge davon beschreibt Susanne Jung, Geschäftsführerin des Solarenergie-Fördervereins Deutschland (SFV) so: „Wer eine gemeinschaftliche Gebäudeversorgung realisieren möchte, findet noch kaum einen grundzuständigen Messstellenbetreiber, der es kann.“ Dabei wäre genau dies laut Jung nach dem jüngst neu formulierten Messtellenbetriebsgesetz (MsBG) deren Aufgabe. Die Philosophie hinter der GGV sei ja gerade, dass nicht der PV-Anlagenbetreiber sich mit der Messung und Zuordnung der Stromflüsse herumzuschlagen habe, sondern dass die Profis bei Netz- und Messstellenbetreibern ihnen diesen Job abnehmen.
Da allerdings könnte das nächste Problem lauern, denn im neuen MsBG erweitert der Gesetzgeber auch den möglichen Kostenrahmen für Installation und Betrieb der Smart Meter sowie möglicherweise damit verbundener Dienstleistungen. Der SFV befürchtet, dass durch die Margen für Messung und Abrechnung die Kostenvorteile einer gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung mit günstig produziertem Solarstrom weitgehend aufgebraucht werden könnten.
Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung: Hürden für Kleinvermieter:innen
Dennoch zeigt sich auch Susanne Jung „fest davon überzeugt, dass die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung kommen wird“. Aber unter den bisherigen Voraussetzungen wohl eher für größere institutionelle Player auf dem Wohnungsmarkt. Denn der von vielen erhoffte Befreiungsschlag für den „kleinen Mieterstrom“ gerade für Kleinvermieter:innen und Wohnungseigentümergemeinschaften zeichnet sich bislang noch nicht ab. Der SfV hat deshalb vor einiger Zeit zusammen mit der Energieagentur Regio Freiburg (EARF) ein Beratungsangebot zur GGV gestartet. Jung: „Wir versuchen seit Monaten, Menschen zusammenzubringen, die so etwas planen. Aber ganz einfach ist das nicht.“ Immerhin gebe es inzwischen eine Signal-Gruppe für den Erfahrungsaustausch, berichtet Jung.
Leitfaden unterstützt bei GGV-Projekten
Praktische Hilfestellungen bietet dabei der neue Leitfaden von BSW und GdW. Unter anderem findet sich darin ein Mustertext für Wohnungseigentümergemeinschaften, anhand dessen sie einen Grundsatzbeschluss für eine GGV-Anlage treffen können. Auch ein Muster für einen Gebäudestrom-Nutzungsvertrag findet sich im Anhang. Er bietet unter anderem eine Formulierung für den nach § 42a EnWG erforderlichen Aufteilungsschlüssel für den Solarstrom. BSW und GdW empfehlen hier ein dynamisches anstatt eines statischen Modells, weil damit ein größerer Teil des vor Ort erzeugten PV-Stroms im Gebäude verbraucht werden kann.
Alle Hürden ließen sich freilich mit solchen praktischen Arbeitshilfen nicht aus dem Weg räumen, so sieht es auch der BSW. In der kommenden Legislaturperiode sei der Gesetzgeber gefragt, sich wichtiger Details des Themas GGV nochmals anzunehmen, deutet dessen Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig gegenüber den Solarthemen an: „Die bisherigen Projekte wurden unseres Wissens nach überwiegend mit Dienstleistern umgesetzt. Ziel ist es allerdings, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass zukünftig auch eine Umsetzung ohne Dienstleister möglich wird, insbesondere bei Immobilien mit wenigen Wohneinheiten.“
Behörden, Wirtschaft und Gesetzgeber sieht der BSW dabei in der Pflicht, die Erfahrungen aus ersten Pionierprojekten in standardisierte Prozesse zu überführen. Körnig: „Wir teilen den Eindruck, dass grundzuständige Messstellenbetreiber die Umsetzung der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung noch als Herausforderung betrachten. Daher ist es nun, nachdem erste Projekte erfolgreich im Betrieb sind, wichtig, dass die Prozesse vereinheitlicht und massengeschäftstauglich gemacht werden.“
Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH