EU-Genehmigung für Solarpaket I bleibt Black Box

Photovoltaikanlage auf einem Hallendach - Symbolbild für Solarpaket IFoto: Guido Bröer
Unter anderem leiden PV-Anlagen im gewerblichen Dachsegment, weil die EU-Kommission die Vergütungsanhebung für Anlagen ab 40 kWp aus dem Solarpaket I noch nicht genehmig hat.
Am 16. Mai 2024 ist das sogenannte Solarpaket I in Kraft getreten. Zehn Monate danach wartet die Erneuerbare-Energien-Branche in Deutschland immer noch darauf, dass die EU-Kommission wesentliche Teile der EEG-Änderungen absegnet.

Von der ausbleibenden EU-Genehmigung für das Solarpaket I sind unter anderem die sogenannten besonderen Solaranlagen, also Agri-PV, Floating PV, Moor-PV und Parkplatz-PV betroffen. Um diese neuen platzsparenden Technologien anzuschieben, haben Bundestag und Bundesrat mit dem Solarpaket I höhere Vergütungen und eine neuartige Vorzugsbehandlung in den EEG-Ausschreibungen der Bundesnetzagentur beschlossen. Doch auf diese verbesserten Bedingungen wartet die Branche, die mit zahlreichen Projekten in den Startlöchern steht, bis heute.

Inzwischen sind zwei Ausschreibungsrunden für Photovoltaik-Freiflächenanlagen über die Bühne gegangen, ohne dass die Bundesnetzagentur das neue Ausschreibungsverfahren anwenden konnte. Und ob bis zur nächsten Ausschreibung mit dem Gebotstermin am 1. Juli 2025 das von vielen Projektierern sehnlichst erwartete Okay aus Brüssel vorliegt, ist keineswegs gewiss.

Agri-PV hängt am Solarpaket I

Geduld ist auch gefragt bei den beteiligten Landwirten, die im Falle von Agri-PV ihre Fruchtfolgen planen und teilweise sogar ihre Maschinenparks anpassen müssen. Betroffen sind auch die Standort-Kommunen, die bei der Bauleitplanung gefragt sind, die sich teils Einnahmen aus den Projekten versprechen und die ihre Bürgerinnen und Bürger mit ins Boot holen wollen.

Woran es genau liegt, dass Monat um Monat vergeht, ohne dass Brüssel grünes Licht für die EEG-Änderungen gibt, fragt sich die ganze Branche. Und auch die Politiker:innen, die das Gesetz vor einem Jahr in Bundestag und Bundesrat über die parlamentarischen Hürden gebracht haben, bleiben darüber im Unklaren. Auf Solar­the­men-Anfrage antwortet die Pressestelle des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz so: „Der Wechsel in der Europäischen Kommission sowie die Neuwahlen in Deutschland führen aktuell zu Verzögerungen in den Gesprächen. Unabhängig von diesen Entwicklungen hält die Bundesregierung an dem Ziel fest, gemeinsam mit der Europäischen Kommission die Anwendbarkeit aller Regelungen des Solarpakets umfassend und möglichst zeitnah sicherzustellen. Die Bundesregierung setzt sich daher gegenüber der EU-Kommission weiterhin mit Nachdruck für eine zügige Beihilfe-Genehmigung ein. Gleichzeitig kann sich die Bundesregierung während der laufenden Gespräche mit der Kommission nicht zu Details äußern.“

EU-Kommission sagt nichts zum Solarpaket

Zu den konkreten Gründen der Verzögerung äußert sich auch die EU-Kommission nicht. Auf die Anfrage der deutschen CDU-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Christine Schneider, wann die Kommission das Solarpaket I zu genehmigen plane und welches die Gründe für die Verzögerungen seien, zeigt sich die für Energie, Klimaschutz und Wettbewerbsrecht zuständige spanische Exekutiv-Vizepräsidentin Teresa Ribera verschlossen: „Da die Gespräche zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten vertraulich sind, kann sich die Kommission weder zu den Einzelheiten einer bestimmten Notifizierung äußern, noch das Ergebnis oder den Zeitplan vorhersagen.“

Über eine fast gleichlautende Aussage hinaus will sich erwartungsgemäß auch die Pressestelle der EU-Kommission nicht aus dem Fenster lehnen: „Wir haben zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren Kommentar zu diesem Thema.“

Die Kommissions-Pressestelle will noch nicht einmal die Solarthemen-Frage beantworten, ob denn Brüssel überhaupt schon ein formales Prüfverfahren zum Solarpaket I eröffnet habe oder ob womöglich noch immer eine sogenannte Vorprüfung laufe.

In welchem Stadium befindet sich das EU-Prüfverfahren?

Das allerdings ist ein interessanter Punkt. Denn die EU-Kommission selbst erklärt auf einer Website zu den gesetzlichen Grundlagen für Prüfverfahren bezüglich staatlicher Beihilfen, dass sie für die Voruntersuchung nach der vollständigen Mitteilung eines Mitgliedstaates zur Anmeldung (Notifizierung) einer neuen bzw. geänderten Beihilfe maximal 20 Werktage beziehungsweise zwei Monate Zeit für die Vorprüfung habe.

Falls ihr aufgrund der Vorprüfung ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit einer Subvention mit den EU-Beihilfevorschriften kommen, muss die EU-Kommission unverzüglich ein förmliches Prüfverfahren eröffnen. Den Eröffnungsbeschluss hat sie dann im Amtsblatt der EU zu veröffentlichen. Und sie muss dort auch ihre vorläufige Bewertung öffentlich machen, sodass der betroffene Mitgliedstaat ebenso wie interessierte Dritte ab dem Datum der Veröffentlichung einen Monat lang Gelegenheit haben, dazu Stellung zu nehmen.

Insofern scheint (bislang) kein formales Prüfverfahren zum Solarpaket I eröffet worden zu sein. Und die betroffenen Unternehmen und Privatleute können weiterhin nur rätseln, ob und wo die EU-Kommission überhaupt Probleme im Solarpaket I sieht. Möglicherweise hält sie auch einfach die Unterlagen, die das federführende deutsche Wirtschaftsministerium zur Notifizierung der Beihilfe eingereicht hat, noch nicht für vollständig, sodass aus ihrer Sicht noch nicht einmal die Zwei-Monats-Frist der Vorprüfung begonnen haben müsste. Doch das alles ist Spekulation, solange es von den beteiligten Behörden in Berlin und Brüssel dazu „keinen weiteren Kommentar“ gibt.

Wer leidet unter der fehlenden EU-Genehmigung für das Solarpaket I?

Sicher ist hingegen, welche Änderungen des EEG bislang nicht angewendet werden können. Paragraf 101 des EEG zählt sämtliche Punkte auf, die unter beihilferechtlichem Genehmigungsvorbehalt stehen. Neben Agri-, Floating, Moor- und Parkplatz-PV sind unter anderem folgende Neuregelungen betroffen:

  • Förderanhebung für PV-Dachanlagen oberhalb von 40 kW um 1,5 Cent pro Kilowattstunde,
  • Erhöhung des Ausschreibungsvolumens bei PV-Dachanlagen,
  • Anhebung der maximalen Gebotsgröße in den Ausschreibungen für Freiflächen-PV von 20 auf 50 MW,
  • Verbesserungen beim Repowering von Dachanlagen und
  • Förderung für Flugwindenergieanlagen.

Entsprechend überdehnt ist inzwischen der Geduldsfaden der Solarbranche. Für den Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) sagt dessen Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig: „Die seit fast einem Jahr ausstehende EU-Bewilligung des Solarpakets (…) bremst Investitionen in relevantem Umfang. Lässt sie weiter auf sich warten, wird der notwendige Sprung zu einem jährlichen 22-Gigawatt-Markt kaum gelingen.“

Photovoltaikmarkt im Segment Gewerbedächern stockt

So führe die fehlende Anhebung der Vergütungssätze dazu, dass auf gewerblichen Bauten mit wenig Eigenverbrauchspotenzial keine oder aber kleinere PV-Anlagen entstünden, als dies andernfalls möglich wäre. Körnig befürchtet, das mühsam entfachte Wachstum bei der Elektrifizierung von Firmendächern könne wieder ins Stocken geraten. Ein Problem sieht er auch im nicht angehobenen Auktionsvolumen für größere Gebäude-PV-Anlagen, obwohl, so der BSW-Solar-Mann, „eine deutlich größere Nachfrage vorhanden wäre, wie deutlich überzeichnete Ausschreibungsergebnisse wiederholt belegen.“

Bei den ebenerdigen Solarparks führt die fortgeltende Größenbeschränkung auf 20 statt der geplanten 50 MW laut dem Branchenverband zu höheren Kosten. Körnig: „Wir appellieren an die EU, die Zustellung des vollständigen Solarpakets nicht länger zu behindern.“

Ins gleiche Horn stößt der Verband für nachhaltige Agri-PV (VnAP): Gegenüber den Solarthemen erklärt der vor vier Jahren gegründete Zusammenschluss, auch zahllose Landwirte seien als Betreiber oder Bewirtschafter der stockenden Agri-PV-Projekte von der ausbleibenden Genehmigung betroffen: „Denn die Agri-PV leistet zusätzlich einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der landwirtschaftlichen Betriebe. Wegen der fehlenden Bewilligungen werden Projekte mit einem Gesamtvolumen im dreistelligen Megawatt-Bereich momentan nicht umgesetzt.“

Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH

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