Koalitionsverhandlungen: Zukunft von Heizungsgesetz, EEG, Klimaschutz

Blick von oben in den Plenarsaal des Bundestages während einer Debatte. Symbolbild für den Bundeshaushalt 2024.Foto: Marc-Steffen Unger / Deutscher Bundestag
Die Arbeitsgruppen in den Koalitionsverhandlung von Union und SPD sind fertig. Sie haben sich auf Kompromisse und offene Punkte in ihren Themenfeldern geeinigt. Dabei werden auch Streitpunkte deutlich, zum Beispiel beim Heizungsgesetz, besser Gebäudeenergiegesetz, und der Kernenergie. Der Stand der Verhandlungen im Detail - unsere Analyse:

Die angebliche Einigung beim Gebäudeenergiegesetz – von der Union als Heizungsgesetz bezeichnet – hatte schon recht früh den Weg in die Medien gefunden. Ob dies auf Mitglieder der Union zurückzuführen ist, die den Punkt so festzurren wollten, oder auf Mitglieder der SPD, die eventuell die Reaktion testen wollten, ist weniger wichtig. Klar ist allerdings: Es gibt hier bislang bei den Koalitionsverhandlungen keine Einigung. Diese gilt es nun in der nächsten Verhandlungsstufe der schwarz-roten Koalition in spe zu finden.

SPD und Union bei der Wärme nicht ganz einig

Der finale Text der AG Klima und Energie bei den Koalitionsverhandlungen enthält zwei Versionen. In der ersten erklärt die Union unter anderem: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen. Wir werden ein neues Recht schaffen, das einen Paradigmenwechsel weg von einer kurzfristigen Energieeffizienzbetrachtung beim Einzelgebäude hin zu einer langfristigen Betrachtung der Emissionseffizienz vollzieht.“ In Version 2 von der SPD heißt es: Wir wollen die Wärmewende entschlossen voranbringen und Planungs- und Investitionssicherheit gewährleisten. Wir wollen aber auch neues Vertrauen schaffen und werden dafür zügig das Gebäudeenergiegesetz (GEG) novellieren. Die geltenden Regelungen werden wir technologieoffener, flexibler und einfacher machen und mit verlässlicher, unbürokratischer und effizienter und sozial gestaffelter Förderung flankieren.“

Auf eine der Versionen muss sich die Koalition einigen oder eine dritte finden. Unmöglich ist das nicht, denn sehr weit auseinander scheinen die Positionen in den Koalitionsverhandlungen nicht zu sein. Die Union hat im Wahlkampf versprochen, das „Heizungsgesetz“ abzuschaffen – und offenbar möchte sie einige ihrer Versprechen halten, nachdem sie die Zusage, die Schuldenbremse beizubehalten, aufgegeben hat. Jetzt geht es darum, ein unliebsames Gesetz zu beerdigen, um es unter anderer Bezeichnung wieder aufstehen zu lassen.

CO2 als Maßstab für Gebäude

Bei vielen grundsätzlichen Prämissen scheinen sich Schwarz und Rot einig zu sein. Die Union will die Emissionseffizienz (im gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes) in den Fokus eines neuen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) – oder wie immer es heißen wird – rücken. Die SPD will die CO2-Vermeidung zur zentralen Steuerungsgröße machen. Das geht in die gleiche Richtung. Und beide wollen – mit leicht unterschiedlichen Formulierungen – in den Koalitionsverhandlungen ein einfacheres Gesetz und sprechen sich unisono für Technologieoffenheit aus. Zu beachten: Sowohl SPD als auch Union wollen ein Gesetz, dass energetische bzw. klimarelevante Anforderungen an Gebäude und Quartiere bestimmt. Dabei erklärt die Union, sie wolle die Spielräume der Gebäuderichtlinie der Europäischen Union ausschöpfen, was aber bereits auf eine Verschärfung eines Teils der jetzigen GEG-Bestimmungen hinauslaufen kann.

Der Koalitionsvertrag wird nicht klären, wie das neue Gebäudeenergiegesetz im Detail aussehen wird. Da die Koalitionspartner aber das Gesetz wohl auf ganz neue Füße stellen wollen, ist nicht zu erwarten, dass das neue das alte sehr bald ablösen wird. Und offen ist, wie die neue Koalition mit einem zentralen Element des „Heizungsgesetzes“, dem 65-Prozent-Anteil erneuerbarer Energien, umgehen will. Dazu findet sich an keiner Stelle im Abschlusspapier der AG Klima und Energie ein Wort. Ein einfaches Zurück bei den Anforderungen kann es nicht geben.

Klimaschutzziel will Koalition in spe beibehalten

Denn die Koalition will die Klimaschutzziele einhalten und hat dies durch die Aufnahme des Klimaschutzes ins Grundgesetz gerade erst bekräftigt. Sie muss mit ihren Beschlüssen also das Niveau des erreichten Klimaschutzes sichern. Würde sie in einem Handlungsfeld durch gesetzliche Änderungen weniger CO2-Emissionen vermeiden, müsste sie dies an anderer Stelle mindestens ausgleichen. So zeigt es ein aktuelles Rechtsgutachten im Auftrag der Klimaunion gGmbH. Vorsitzender des damit verbundenen Vereins Klimaunion ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann. Er sagt, wer den Klimaschutz abschwäche, „handelt verfassungswidrig und riskiert gerichtliche Konsequenzen“. Das ist wohl auch in den Koalititionsverhandlungen zu beachten.

Heizungsförderung wird fortgesetzt

Es ist daher zu erwarten, dass das neue GEG – hoffentlich – einfacher, doch nicht weniger ambitioniert als das jetzige wird. Flankieren wollen beide Fraktionen die gesetzlichen Vorgaben durch ein Förderprogramm – auch wenn Vertreter der Union, insbesondere Jens Spahn, dies vor der Wahl infrage gestellt hatten. Die Klima- und Energie-AG-Mitglieder der Union erklären jetzt im noch nicht geeinten Teil ihres Arbeitspapiers: „Die Heizungsförderung werden wir fortsetzen.“ Die SPD-Mitglieder sagen: „Die Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen einschließlich Energieberatungen und die Heizungsförderung durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) werden fortgesetzt. Um finanzielle Überforderung zu verhindern und Akzeptanz zu sichern, sehen wir sozial gestaffelte Förderungen vor.“

Die Förderung wird also wahrscheinlich fortgesetzt – in welcher Höhe ist noch nicht klar. Doch es ist derzeit nicht zu erwarten, dass die neue Koalition die bisherige Förderung vor Etablierung einer neuen aussetzen wird. Es sei denn, ein Ansturm auf das Programm würde die geplanten Finanzmittel vorzeitig aufzehren.

Daher ist im Heizungssektor nach derzeitigem Wissensstand nicht mit gravierenden Änderungen am gesetzlichen Status quo zu rechnen. Wahrscheinlich sind allerdings verlängere Übergangsfristen.

Was wird aus dem EEG bei den Koalitionsverhandlungen?

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz taucht im Arbeitspapier der AG Klima und Energie an keiner Stelle auf. Sofern man von einer Analogie beim „Heizungsgesetz“ ausgeht, das die Union explizit abschaffen möchte, würde dies einer Bestandsgarantie für das EEG gleichkommen. Aber das wäre eine gewagte Interpretation. Das Papier betont: „Wir wollen eine transparente, planbare und pragmatische Energiewende zum Erfolg führen.“ In Klammern will die Union aber hinter das Wort Energiewende „[mit einem Neustart]“ einfügen, was die SPD nicht teilt. Beide erklären: „Wir verfolgen das Ziel, dass sich Erneuerbare Energien perspektivisch vollständig am Markt refinanzieren können. Wir wollen für den weiteren Hochlauf von Erneuerbaren und Speichern einen gesicherten Investitionsrahmen bei zugleich verstärkter Einbindung marktwirtschaftlicher Instrumente.“ Doch was das konkret bedeutet, wird sich erst im Laufe der Legislatur zeigen.

Das Gleiche gilt auch für ein Versprechen an Unternehmen, dass die möglichen Koalitionäre in einer europäischen Energieunion einlösen wollen: „Für gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen werden wir entschlossen handeln, um in zentralen Schlüsseltechnologien, wie erneuerbare Energien, keine neuen Abhängigkeiten zu schaffen und bestehende abzubauen und mit geeigneten Maßnahmen die Resilienz heimischer Produktion zu stärken.“

Streitpunkte bei Koalitionsverhandlungen: Netze und Kernenergie

Beim Ausbau der Netze setzen die beiden Fraktionen unterschiedliche Schwerpunkte. Die Union sagt: „Die künftigen HGÜ-Übertragungsnetze sollen wo möglich als Freileitungen umgesetzt werden. Dabei werden wir besonders belastete Regionen berücksichtigen.“ Die SPD setzt dagegen: „Zur Akzeptanzsteigerung und Vermeidung von Planungswiderständen werden wir den Vorrang für Erdverkabelung beibehalten.“ Doch beide Ansätze lassen sich wahrscheinlich auch kombinieren.

Eine große Diskrepanz zeigt sich aber bei der Kernenergie. Die Union meint: „Gerade mit Blick auf die Klimaziele und die Versorgungssicherheit kann die Kernenergie eine bedeutende Rolle spielen.“ CDU und CSU wollen Forschung zu Kernenergie der neuesten Generation, Small Modular Reactors und Fusionskraftwerke. Außerdem wollen sie eine Bestandsaufnahme der Reaktoren, deren Rückbau schon begonnen hat. Diese sollen möglichst den Betrieb wieder aufnehmen. Bis zum Abschluss der Prüfung „soll der Rückbau der Anlagen umgehend, möglichst durch eine freiwillige Vereinbarung mit den Betreiberunternehmen, gestoppt werden“, so die Union. Die SPD will sich dem – jedenfalls bislang – nicht anschließen.

Weitere Kompromisse bei Energie und Klima

Das Arbeitspapier der AG Klima und Energie enthält darüber hinaus eine Reihe von Maßnahmen, auf die sich die Parteien bei den Koalitionsverhandlungen einigen konnten. Das sind unter anderem:

  • Emissionshandel auf europäischer Ebene mit Instrumenten, die CO2-Preissprünge für Verbraucher:innen und Unternehmen vermeiden sollen. Dabei soll die Landwirtschaft nicht in den Emissionshandel einbezogen werden.
  • Senkung der Strompreise um mindestens fünf Cent je Kilowattstunde und Abschaffung der Gasspeicherumlage.
    Umstritten ist die Gasförderung im Inland.
  • Entbürokratisierung und Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie zügige Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) in deutsches Recht.
  • Flexibilisierung des Stromsystems.
  • Investitionsfonds mit privatem Kapital und öffentlichen Garantien für die Energieinfrastruktur.
  • Weiterer Ausbau der Windenergie: Dabei will die SPD am 2-Prozent-Flächenziel festhalten, während die Union „das starre Flächenziel für Windkraft“ alternativ durch ein „Ökostromziel“ erfüllt sehen möchte.
  • Schnellstmöglich wollen Union und SPD ein „verbessertes Geothermie-Beschleunigungsgesetz auf den Weg bringen und geeignete Instrumente für die Absicherung des Fündigkeitsrisikos einführen“.
  • Bau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung bis 2030.
  • Kohleausstieg (erst) bis 2038 – das hatte die Ampelkoalition (möglichst) früher erreichen wollen.

Autor: Andreas Witt | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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