Neues Dena-Konzept zur Dritteinspeisung in Fernwärmenetze

Ein Stapel Fernwärmeleitung liegt zwischen Gebäuden auf einer Straße.Foto: Viktor / stock.adobe,.com
Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) hat einen Vorschlag unterbreitet, wie Drittanbieter einen besseren Zugang in Fernwärmenetze für die Dritteinspeisung erhalten können. Unternehmen mit Abwärmepotenzial oder neue Energiegenossenschaften, die große Solarthermie- oder Erdwärmeanlagen betreiben, erhielten so eine Art garantierte Abnahme der Wärme. Zahlen müssten der Fernwärmenetzbetreiber bzw. dessen Kund:innen.

Erarbeitet hat die Dena das Konzept zur Dritteinspeisung in Fernwärmenetze in Kooperation mit der European Climate Foundation, dem Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung (IFAM) und der Oldenburger EERA Consulting GmbH. Die Ausgangslage ist heute ein schlechter Zugang zu Wärmenetzen für Dritte. Die Netzbetreiber müssen in Deutschland (Ab-)Wärmeerzeugern keinen Zugang zum Wärmenetz gewähren. Die Dena weist allerdings auf die Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) der Europäischen Union hin. Und diese RED III sieht eine Vereinfachung des Zugangs vor, um dem hohen Investitionsbedarf zu begegnen und Synergien zur Dekarbonisierung zu heben.

Fernwärmebetrieb: Alles in einer Hand

Im Regelfall liegt heute in Deutschland im Bereich leitungsgebundener Wärme alles in einer Hand: Netz, Erzeugung und Vertrieb. Ein Unbundling wie im Strom- und Gassektor hat es hier bislang nicht gegeben. Dritteinspeisung in Fernwärmenetze ist selten. Mit der Wärmewende – also vor allem der Notwendigkeit zur Dekarbonisierung – kann sich das aber verschieben. Denn der Umstieg auf regenerative Wärmeerzeugungskapazitäten, wie er durch die Transformationspläne der Fernwärmegesellschaften erforderlich ist, sowie der kommenden Ausbau der Netze infolge auch der kommunalen Wärmeplanung führen dazu, dass deutlich mehr Geld zu investieren ist.

Nun stellt sich natürlich die Frage, woher dieses Geld kommen soll. So fordert etwa der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), dessen Mitglieder häufig Wärmenetze betreiben, eine erhöhte öffentliche Unterstützung. Doch die Dena merkt an, dass die Haushaltsprobleme von Bund, Ländern und Kommunen die Fördermöglichkeiten begrenzten. Als Alternative könne der Drittzugang die Mobilisierung privaten Kapitals mobilisieren und öffentliche Haushalte entlasten.

Hoher Investionsbedarf in klimafreundliche Fernwärme

Laut Dena ist mit einem hohen Investitionsbedarf zur Transformation der Fernwärmenetze zu rechnen. Bis 2030 müssten in Neu- und Ausbau der Netze sowie in deren Dekarbonisierung: 43,5 Milliarden Euro fließen, bis 2045 rund 74,4 Milliarden Euro.

Für Drittanbieter – das können auch Energiegenossenschaften sein – können sich aus der Dritteinspeisung in Fernwärmenetze Marktchancen ergeben. Sie könnten gezielt Kapital in einzelne Erzeugungskapazitäten investieren, wie dies im Stromsektor bereits seit Jahrzehnten üblich ist. Jedoch ist der Mechanismus hier ein anderer. Die Fernwärmegesellschaften müssen für ihre Kunden immer ausreichende Erzeugungskapazitäten bereit halten. Kommt nun Wärme von Dritten hinzu, wird diese meist den Bedarf übersteigen. Es geht also um ein abgestimmtes Verfahren, dass im besten Fall die Wärmeabnahme Dritter garantiert und andererseits die Fernwärmegesellschaft von Investitionen entlastet.

Dena entwickelte mehrstufiges Verfahren

Dafür hat die Dena mit den Partnern jetzt ein Modell mit einem mehrstufigen Verfahren vorgelegt. Wenn neue Erzeugungskapazitäten erforderlich sind, wären hier nicht die Projekte der Fernwärmegesellschaft automatisch gesetzt, sondern sie müsste sich der Konkurrenz durch Dritte stellen. Das kann auch zu niedrigeren Kosten führen, wovon die Wärmeabnehmer:innen profitieren.

Der bisherige Plan der Dena sieht drei Stufen vor:

  • Stufe 1: Marktabfrage
    Hier soll das Dekarbonisierungspotenzial transparent ermittelt werden, indem alle infrage kommenden Wärmeanbieter und deren Erzeugungskonzepte erfasst werden.
  • Stufe 2: Ergebniskonsolidierung
    Fernwärmeversorger, Wärmeanbieter und Kommune erarbeiten alternative Netzkonfigurationen, d.h. technisch-ökonomisch mögliche Erzeugungsportfolios einschließlich Besicherungskonzepte und Netzmaßnahmen, zum Erreichen der Dekarbonisierungsziele.
  • Stufe 3: Auswahl des Erzeugungsportfolios
    Gibt es mehrere mögliche Erzeugungsportfolios, erfolgt in Stufe 3 eine Auswahl der optimalen Lösung im Sinne des kostengünstigsten konsistenten Erzeugungsportfolios. Ein Überangebot an Wärme will die Dena ausschließen

Durch den gesicherten und regulierten Drittzugang, wie ihn die Dena vorschägt, würden externe Akteure einen Zugang zum Fernwärmenetz erhalten und können ihre Wärme dort zu einem geregelten Tarif einspeisen. Dabei soll der Fernwärmeversorger weiterhin die Besicherung der Wärmeeinspeisung (d.h. der Systemsicherheit) gewährleisten sowie die Versorgung der Wärmekund:innen übernehmen.

Die Dena sieht vor allem die Chance, durch die Dritteinspeisung in Fernwärmenetze die Dekarbonisierung der Wärmenetze beschleunigen zu können und die Kosten zu senken.

AGFW warnt vor Dena-Konzept der Dritteinspeisung in Fernwärmenetze

Doch der Fernwärme-Spitzenverband AGFW warnt anlässlich der von der Dena vorgestellten Studie vor einer Komplexitätsfalle und Überregulierung auf Kosten der Wärmewende. AGFW-Geschäftsführer Werner Lutsch erklärt: „Die Fernwärmeversorger setzen bereits heute dort auf Dritteinspeisung, wo dies technisch machbar, ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich vorteilhaft im Vergleich zur eigenen Wärmeerzeugung ist. Wie verschiedene Praxisbeispiele zeigen, werden innovative Lösungen aus der gelebten unternehmerischen Freiheit heraus entwickelt.“

Ein aktuelles Beispiel dafür sei die Einspeisung von Abwärme aus dem Chemiepark Leuna in das Leipziger Fernwärmenetz. Für beide Unternehmen entstehe eine Win-Win-Situation, die das enorme Dekarbonisierungspotenzial der Fernwärme zeige.
 
„Eine Regulierung der Dritteinspeisung in Wärmenetze halten wir aus diesem Grund weder für nötig noch für sinnvoll“, so Lutsch. „Die Versorger benötigen für die weitere Transformation und den Ausbau der Fernwärmeversorgung keine zusätzlichen Bürokratiegebilde, sondern eine sinnvolle und praxisnahe Förderkulisse sowie verlässliche Rahmenbedingungen.“ Wünschenswert bei der Erarbeitung von Konzepten wie dem aktuellen wäre es aus Sicht des Verbandes, bereits im Vorfeld den Erfahrungswerten der Branche mehr Gewicht beizumessen, so Lutsch: „Die Fernwärmeversorger beschäftigen sich seit vielen Jahren intensiv mit den Möglichkeiten zur Dekarbonisierung ihrer Wärmenetze und bringen dafür fundiertes technisches Wissen sowie umfangreiche Praxiserfahrung mit.“

BDEW sieht Drittzugang schon jetzt gewährleistet

“Eine stärkere Dezentralisierung der Wärmeerzeugung in Wärmenetzen durch Dritte, die nicht Wärmenetzbetreiber bzw. -versorger sind, wird im Rahmen der Wärmewende weiter zunehmen”, erklärt gegenüber den Solarthemen der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): “Aufgrund der Definitionen für klimaneutrale Wärme und die faktische Quotenregelung im Wärmeplanungsgesetz (WPG) müssen auch bisher ungenutzte Wärmequellen in großem Ausmaß erschlossen werden. Zum Beispiel spielen dabei Abwärmelieferanten eine Rolle, deren Netzzugang individuell verhandelt, geplant, errichtet und betrieben wird – im Einvernehmen der Vertragspartner.”

Für die Gewährleistung des Drittzugangs genüge dabei aber der derzeitige rechtliche Rahmen, so der BDEW. Der Verband hält eine darüberhinausgehende Regulierung des Drittzugangs nicht für ein geeignetes Instrument, um die Dekarbonisierung der Wärmenetze zu beschleunigen. Paragraf 19 Absatz 2 Nr. 4 des GWB räume Dritten grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang zu Fernwärmenetzen ein, wenn sie nicht durch das Fernwärmeversorgungsunternehmen aus betriebsbedingten Gründen abgelehnt werden. Ob eine Zugangsverweigerung gerechtfertigt sei bzw. unter welchen Bedingungen ein möglicher Zugangsanspruch besteht, bedürfe stets einer Einzelfallprüfung, bei der jeweils die unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen zu bewerten sind, so der Verband der Energiewirtschaft.

“Speziell für die Fernwärme besteht kein überregionales Verbundnetz und kein übergeordneter Handelsmarkt, in dem überschüssige Mengen abgesetzt werden könnten. Der Bedarf an Wärme wird allein durch die lokale Abnahmestruktur bestimmt”, erklärt der BDEW: “Darüber hinaus besteht eine Vielzahl technischer Besonderheiten, etwa in der Hydraulik, durch limitierte Netzquerschnitte oder wegen unterschiedlicher Systemtemperaturen. Eine Öffnung der Fernwärmenetze für Dritte wird daher, bei gleichzeitig eigener Wärmeerzeugung – anders als im Strom- oder Gassektor – schnell auf natürliche Grenzen stoßen. Die Fernwärmeerzeugung und regionale Versorgung der Kunden erfolgen daher regelmäßig über ein integriertes Unternehmen, das entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein optimiertes System aufbauen kann.”

Jetzt liegt ein Lösungsvorschlag auf dem Tisch

Es bleibt allerdings bei dem von der Dena genannten wachsenden Umbaubedarf in der Wärmeversorgung und bei den erheblichen Investitionen. So schreibt das Wärmeplanungsgesetz (WPG) einen Anteil von 30 Prozent klimaneutraler Energie bis 2030 vor. Heute sind es 22 Prozent. Und dieser Anteil soll auf 80 Prozent bis 2040 steigen. Derzeit domininiert nach Angaben der Dena die Kraft-Wärme-Kopplung die deutsche Fernwärmeversorgung. Ihr Anteil lag 2022 bei 66 Prozent und stützt sich auf fossile Energien. Da erscheint es schon fraglich, ob einerseits die derzeitigen Fernwärmeunternehmen die massiven Investitionen allein stemmen können. Andererseits brauchen neue Anbieter im Wärmesektor eine garantierte Abnahme. Ob es hier reicht, auf das Gutdünken der Wärmenetzbetreiber angewiesen zu sein, ist künftig verstärkt ein Diskussionsthema.

Autor: Andreas Witt | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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