„Solarstadt“ Gelsenkirchen im Dornröschenschlaf

Vier Personen stehen zwischen Bannern des Fußballereins Schalke 04 vor einer Photovoltaikanlage in Gelsenkirchen. Im Hintergrund ist das Fußballstadion.Foto: Schalke 04
In Gelsenkirchen vor dem Fußballstadion von Schalke 04 (links im Bild die Schalke-Vorständin Christina Rühl-Hamers, neben ihr der Stadtwerke-Chef Manfred Ackermann, Johann Böker, Geschäftsführer der Greenflasch GmbH und Bernhard Brunsbach, Geschäftsführer der Emscher Lippe Energie GmbH).
Gelsenkirchen war einst eins der Zugpferde in einer frühen Industrialisierungsphase der Photovoltaikbranche. Und eventuell kann die Stadt an diese Zeit wieder anknüpfen. Doch in den vergangenen Jahren sah es bei der Solarenergie eher mau aus in der Ruhrgebietsstadt - auch wenn der Fußballverein Schalke 04 bei der PV-Nutzung durchaus mit gutem Beispiel vorangeht.

Christina Rühl-Hamers ist beim Fußball-Zweitligisten Schalke 04 die Frau der Zahlen. Kein Wunder, dass die Finanzvorständin Anfang April einen bunten Strauß an Daten parat hatte. Denn es galt, eine solare Parkdachanlage mit 749 Kilowatt Leistung auf dem S04-Vereinsgelände in Gelsenkirchen offiziell einzuweihen: „Seit der Inbetriebnahme konnten wir 20 Prozent unseres Stromverbrauchs decken. Wir gehen von einer kontinuierlichen Steigerung der Erträge in den kommenden Monaten aus, sodass der externe Strombezug künftig sogar um 30 Prozent gesenkt werden könnte.“

Jede Kilowattstunde Solarstrom spart das Geld von Schalke 04

Dass Kassenwartin Rühl-Hamers durchaus Interesse an weiteren Solarkraftwerken zeigt, ist leicht zu erklären: Jede nicht gekaufte Kilowattstunde hilft dem Traditionsverein, seinen immensen Schuldenstand ein ganz klein wenig abzutragen. Immerhin kann sich S04 rühmen, eine der größten Solaranlagen Gelsenkirchens in jüngster Zeit ans Netz gebracht zu haben.

Solare Industrialisierung in Gelsenkirchen

Es gab Zeiten, in denen die Revierstadt sogar bundesweit solare Ausrufezeichen gesetzt hat: 1996 ging auf dem Dach des Wissenschaftspark im Stadtteil Ückendorf das damals mit einer Leistung von 210 Kilowatt deutschlandweit größte Solarkraftwerk in Betrieb. Im Jahr darauf verkündete der Shell-Konzern, die in diesen Tagen größte Solarzellenfabrik Deutschlands mit 20 Megawatt Jahresproduktion in Gelsenkirchen anzusiedeln. Später kam wenige Kilometer entfernt auch eine Modulfabrik vom niederländischen Glas- und Solarunternehmen Scheuten hinzu. Gelsenkirchens Metamorphose von der Bergbau- und Malocher- zur Solarstadt schien perfekt zu sein. Was alles in dem griffigen Marketingslogan „Von der Stadt der 1000 Feuer zur Stadt der 1000 Sonnen“ gipfelte – die 1000 Feuer bezogen sich auf die vielen Kokereien.

Was sich als schöner Traum entpuppte: Die Solarbetriebe haben längst ihre Produktion wieder eingestellt, abgesehen von einem kleinen Zwischenhoch sind keine neuen Arbeitsplätze entstanden. Tristesse ist in Gelsenkirchen auch bei der privaten Solarnutzung angesagt: Unter den 396 Kommunen in NRW landete Gelsenkirchen im vergangenen Jahr, wie eine Auswertung des Marktstammdatenregisters durch den Landesverband Erneuerbare Energien NRW zeigte, mit 1.364 neu installierten Anlagen und einer Leistung von etwas mehr als 9,6 Megawatt auf Rang 51. Rechnet man die hinzugewonnene Solarleistung auf die Einwohnerzahl um, dann findet sich Gelsenkirchen auf dieser Rangliste mit Position 395 auf dem vorletzten Platz wieder.

Struktur in Gelsenkirchen nicht optimal

Dass Gelsenkirchen bei diesen Vergleichen „nicht weit vorn“ ist, weiß Thomas Bernhard, der seit 2017 das städtische Umweltreferat leitet. Schon vorher, nämlich 2011, habe sich die Stadt vom Leitbild der Solarstadt verabschiedet, sagt der promovierte Physiker. „In Gelsenkirchen fehlt es nicht nur an Kaufkraft. Es gibt auch zu wenige Ein- und Zweifamilienhäuser, deren Dächer anderswo den Solarausbau vorantreiben.“ Der Stadt macht auch die seit einigen Jahren hohe Arbeitslosenquote zu schaffen.

Froh ist Bernhard über den Zuspruch für das kommunale Förderprogramm: „Wir haben dabei einen Schwerpunkt auf Balkonkraftwerke gelegt, damit möglichst viele Mieter von der Solarenergie profitieren können.“ Mit einem Jahresbudget von 250.000 Euro ist das Förderprogramm nicht gerade üppig alimentiert, zumal damit unter anderem auch Maßnahmen für die Gebäudesanierung sowie der Dach- und Fassadenbegründung bezuschusst werden. „Das ändert nichts an unserem Ziel, wir wollen möglichst viele neue Photovoltaikanlagen in der Stadt haben.“

Auch die Stadtverwaltung Gelsenkirchen hängt hinterher

Worte, die auch Patrick Jedamzik exakt so sagen könnte. Er ist seit Mitte 2022 Ratsherr für Bündnis ´90/Grüne und Mitglied im Umweltausschuss: „Uns geht es beim Solarausbau in Gelsenkirchen zu langsam voran. In der Pflicht sehen wir nach wie vor die Stadt selbst, die Solarenergie für ihre eigenen Liegenschaften zu nutzen.“ Auf den rund 2.000 stadteigenen Dächern sei bislang noch viel zu wenig passiert.

Was Manfred Ackermann, Chef der Stadtwerke Gelsenkirchen und in Personalunion einer der beiden Geschäftsführer der Emscher Lippe Energie GmbH (ELE), bestätigt: „Wir würden gerne viel, viel mehr machen.“ Das eigens dafür gegründete Tochterunternehmen ELE_GEW Photovoltaikgesellschaft mbH sei bislang nicht groß aktiv geworden. Noch hapere es an dem notwendigen Datenaustausch beispielsweise über die Größe der geeigneten Dächer und deren Statik zwischen dem städtischen Hochbauamt und dem Energieversorger. Dass ELE Solaranlagen planen und bauen, hat das Unternehmen in den zurückliegenden Wochen bewiesen: Die Solaranlage von Schalke 04 ist mit tatkräftiger Unterstützung von ELE entstanden.

Hoffnung auf neues Solarunternehmen in Gelsenkirchen

Die Solarstadt-Träume hat Gelsenkirchen selbst bereits vor einem Jahrzehnt beerdigt. Doch es könnte durchaus sein, dass sich innerhalb der Stadtgrenzen ein solarer Produktionsbetrieb ansiedelt. „Wir haben Anfang des Jahres eine Anfrage aus dem Landeswirtschaftsministerium erhalten, in Frage kommende Grundstücke zu melden“, lässt Simon Nowack, Dezernent für Wirtschaftsförderung, durchblicken. „Genauere Informationen haben wir bislang nicht.“ Bis Ende dieses Jahres erwartet Nowack die Entscheidung, ob in Gelsenkirchen künftig wieder eine Photovoltaikproduktion starten kann oder nicht..

Autor: Ralf Köpke | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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