Artenvielfalt im Solarpark

Foto: Rolf Peschel
Ein Rotwidderchen im Solarpark, ein Beispiel für Artenvielfalt.
Sind die klassischen Methoden offiziellen Naturschutzes für Freiflächen -Photovoltaik angemessen? Oder ver­bessern Solarparks auf ehemaligen Intensiv-Ackerflächen die Artenvielfalt quasi automatisch, so­dass Kompensationsmaßnahmen unterbleiben können? Dazu gibt es in der Fach­welt unterschiedliche Standpunkte.

Ein neues, sehr umfangreiches Gutachten zur Artenvielfalt in Freiflächen-Solaranlagen bringt neue Erkenntnisse darüber, was in den Anlagen so kreucht und fleucht. In Auftrag gegeben hat es der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE), in dem viele Solarpark-Projektierer und -betreiber organisiert sind. Tim und Rolf Peschel, zwei Biologen, die sich seit vielen Jahren auf dem Gebiet einen Namen gemacht haben, sind für diese nach BNE-Aussage weltweit umfangreichste Feldstudie ihrer Art unterwegs gewesen. 31 Solarparks auf ehemaligen landwirtschaftlich genutzten Flächen haben sie untersucht mit verschiedenen Bodentypen. Sie haben acht Artengruppen gezählt, unter anderem Amphibien, Reptilien, Vögel, Gliedertiere und Pflanzen.

Und die Zahlen sind beeindruckend. Die Wissenschaftler haben insgesamt 385 Pflanzenarten, 30 Spezies von Heuschrecken, 36 Tagfalter-, acht Amphibien- und drei Reptilienarten sowie jeweils 13 Fledermaus- und Libellenarten auf den PV-Flächen nachgewiesen. An gefiederter Fauna zählten sie 32 Arten von Brutvögeln und 63 Vogelarten, die als Nahrungsgäste die Solarareale besuchten.

Die Arten, die auf diesen Flächen vorkommen, seien größtenteil Arten des Offenlandes, also typische Kulturfolger, die aber in unserer intensiv genutzen Agrarlandschaft immer weniger geeignete Lebensräume vorfänden, erläutert Studienautor Rolf Pe­schel. Deshalb sei die Zunahme der Artenvielfalt, wie sie die Biologen mit ihrer Studie belegen konnten, nicht verwunderlich, so der Experte: „Die Biodiversität wächst an. Das passiert immer. Das liegt einfach daran, dass wir mit den Solarparks Strukturen schaffen und diese auch erhalten.“

Pflege als Gratiszugabe

Das gelte im übrigen nicht nur für PV-Anlagen auf zuvor intensiv genutzten Äckern, sondern auch für artenreiche Konversionsflächen. Zumal Offenlandpflege außerhalb von Solarparks auch auf für den Naturschutz wert­vollen Flächen oft am fehlenden Geld scheitere. In Solarparks bekomme man die Pflege gratis dazu, so Peschel, weil die Betreiber die Vegatation aus Eigeninteresse im Zaum halten müssten.

Freilich sei es wichtig, die Pflegemaßnahmen sehr individuell an den jeweiligen Standort, aber auch an das Wetter anzupassen, fordert Peschel und bringt das Stichwort „situatives Pflegekonzept“ ins Spiel. „Die festen Pflegetermine sind absolut kontraproduktiv“, kritisiert er die Praxis vieler Naturschutzbehörden, die oft Fixtermine in ihren Pflegekonzepten vorgäben. Sie beeinträchtigen so die Artenvielfalt.

Individuelle Maht-Termine

Peschel berichtet vom Einzelfall eines Solarparks, in dem man aufgrund fachlicher Beratung in einem sehr trockenen Jahr ganz auf die Maht verzichtet habe. In anderen Jahren habe man in derselben PV-Anlage mehr­fach, und das auch schon sehr früh im Jahr, mähen müssen, um den Bruterfolg bestimmter Bewohner nicht zu gefährden. Aber: „Das war eine absolute Ausnahme. Ich würde mir wünschen, dass das kein Einzelfall bleibt“.

Auch Julia Thiele, Fachreferentin für den Solarbereich beim Kompentenzzentrum Naturschutz und Energiewende, (KNE) betont: „Es kommt bei der Wahl von Maßnahmen immer auf die Standortbedingungen und die Zielarten an, die gefördert werden sollen. Daher gibt es keinen Masterplan, der für jeden Solarpark funktioniert.”
Das KNE nimmt bundesweit eine Art Moderatorenrolle zwischen Naturschutz und der Erneuerbare-Energien-Branche ein. Im Fall von Solarparks heißt das: „Wir stehen als KNE für einen naturverträglichen Ausbau der Photovoltaik auf Freiflächen. Und es gibt durchaus Solarparks, in denen das bereits umgesetzt wird.” Im Umkehrschluss bedeutet das allerdings wohl auch, dass es unter PV-Projektierern, -betreibern und Landbesitzern auch andere gibt, denen es vor allem um Gewinnmaximierung geht.

Risiko Naturschutz ernst nehmen!

Auch diese hofft Rolf Peschel allerdings von Maßnahmen für die Artenvielfalt zu überzeugen, und zwar mit finanziellen Argumenten: „Naturschutz ist ein Unternehmensrisiko. Die Frage ist, ob dieses Risiko von allen Unternehmen erkannt wird – die Antwort ist nein.“

Umso mehr betont Thiele die Wichtigkeit der Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Sie ist der Hebel, den die Unteren Naturschutzbehörden im Bebauungsplan oder, wo kein Bebauungsplan nötig ist, im Genehmigungsverfahren ansetzen. Auch wo Freiflächen-PV baurechtlich verfahrensfrei gestellt ist, wie neuerdings in Baden-Württemberg, bleibt die Eingriffsrege­lung gültig.

Naturhaushalt und Landschaftsbild sind dabei als Schutzgüter klar zu unterscheiden. In beiden Fällen gilt es, Eingriffe – in dieser Reihenfolge – zu vermeiden, zu minimieren und wo dies nicht möglich ist, durch geeignete Maßnahmen zu kompensieren.

Zum Schutzgut Naturhaushalt gehören neben dem Artenschutz auch unger anderem der Schutz von Boden, Luft, Wasser und Klimaschutz. In allen diesen Punkten sei ein Solarpark, sofern am Standort vorher ein Acker oder eine Wiese intensiv bewirtschaftet worden sei, fast automatisch ein Gewinn, argumentiert Peschel: Viel weniger Nährstoffeintrag und keine Pflanzenschutzmittel, weniger Bodenverdichtung und Erosion – und das Klimaklima schützen die PV-Anlagen sowieso. Bei guter Planung bedürfe es somit eigentlich keiner Ausgleichsmaßnahmen, argumentiert der BNE.

Im Prinzip bestätigt auch Julia Thiele vom KNE dass die Umnutzung von typischer Intensiv-Landwirtschaft zu Solarpark aus Sicht des Naturschutzes oft ein Gewinn sei. Dennoch plädiert sie dafür, in jedem Einzelfall ganz genau hinzuschauen und widerspricht damit auch einigen Schlussfolgerungen des BNE: „Wir stimmen nicht zu, dass in Solarparks regelhaft auf Kompensationsmaßnahmen aufgrund der erzielten Ergebnisse verzichtet werden könnte. Vielmehr leistet die Eingriffsregelung aus Sicht des KNE einen wertvollen Beitrag.” Allerdings wirbt auch das KNE dafür, dass die Maßnahmen zugunsten des Naturschutzes in der Regel direkt auf der für den Solarpark ausgewiesenen Fläche erfolgen sollten, was in der Regel auch möglich sei.

Leitlinien der Bundesländer zur Artenvielfalt in Solarparks

Hilfreich für Solarprojektierer und behörden findet Thiele, dass immer mehr Bundesländer Leitlinien herausgeben, wie in Solarparks Kompensationmaßnahmen nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu bemesssen und zu gestalten sind. Alle Länderregelungen, die sie verglichen hat, sehen demnach Mindestkriterien und Bonusoptionen vor, mit denen der Kompensationsbedarf reduzierbar ist.

Beispielsweise setzen die Kriterienkataloge Grenzen für die Flächen­inanspruchnahme, indem sie zum Beispiel Mindestabstände zwischen den Modulreihen definieren, um ausreichend besonnte Bereiche zu schaffen, die vielen Arten Lebensraum bieten. Nach einer Umfrage, die das KNE dazu bei Behörden und Planer:innen gemacht hat, werden die Leitfäden, wo es sie gibt, als hilfreich wahrgenommen. Thiele: „Auch andere Bundesländer sollten Handreichungen zur Bilanzierung von Solarparkprojekten zur Verfügung stellen.”

Autor: Guido Bröer | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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