Der Arzt, der Wasserkraftwerke sammelt

Mit Hobbies ist das so eine Sache. Mancher Zeitgenosse sammelt alte Autos, Pferde, Boote, Gemälde oder ähnlich Bedeutsames. Das Hobby von Bernd Walters ist da wesentlich ausgefallener: Der mittlerweile 71 Jahre alte Allgemeinmediziner und Betriebsarzt aus dem sauerländischen Brilon sammelt alte Wasserkraftwerke – und zwar seit über 40 Jahren.
Jetzt ein Dutzend Wasserkraftanlagen gesammelt
Ein Dutzend Anlagen, alle in Nordrhein-Westfalen, nennt Walters heute sein Eigen, entweder komplett oder mit einer nennenswerten Beteiligung. Bei zwei Projekten ist er Kooperationen mit Energieversorgern eingegangen, einmal mit den Stadtwerken Arnsberg, zum anderen mit den Stadtwerken Bocholt. Insgesamt erzeugen Walters Wasserkraftwerke mit insgesamt etwas weniger als einem halben Dutzend Megawatt Leistung jährlich zwischen 10 bis 12 Millionen Kilowattstunden, was dem Stromverbrauch von so mancher Kleinstadt entspricht.
Die Begeisterung für Wasserkraftwerke, so erzählt der Arzt mit dem grau-weißen Haar, ist in seinen Kindertagen entstanden. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte Walters in Ostwestfalen-Lippe, noch heute bekannt als eines der Zentren der Möbelindustrie bundesweit. „Mein Großvater hat als Maschinenbauingenieur in einem dieser Betriebe gearbeitet, in dem eine Kolben-Dampfmaschine die Hauptenergiequelle war.“ Bilder, die prägten.
Die Verbindung zur Wasserkraft entstand aber im Wesentlichen durch Urgroßvater Johann, der im schlesischen Naumburg am Bober lebte, und Betriebsleiter in einem großen Unternehmen war, dessen Energiequelle ausschließlich aus Wasserkraftnutzung bestand. Deshalb war es diesem Unternehmen schon vor Beginn der öffentlichen Stromversorgung möglich, das Werk komplett mit elektrischer Energie durch mit Wasserkraft angetriebenen Generatoren zu versorgen.
Großvater weckte Begeisterung für Wasserkraftwerke
Wasserkraft war ein ständiges Thema beim Großvater und wurde dem Enkel quasi in die Wiege gelegt. Schon als Kind hat mich die Wasserkraft-Technologie begeistert“, schwärmt Walters: „Faszinierend finde ich, dass diese Technik noch heute einwandfrei funktioniert und problemlos zu warten ist.“
Bis er selbst zum veritablen Wasserwerker avancierte, dauerte es bis Anfang der 1980er Jahre. Damals hörte Walters von einer kleinen Wassermühle in Rüthen zwischen Warstein und Belecke, die abgerissen und verkauft werden sollte. In Eigenregie begann er nach dem Erwerb mit vereinbarter Ratenzahlung das kleine 25-Kilowatt-Kraftwerk an der Möhne selbst zu sanieren: „Anders war das bei meinem damaligen Gehalt als Assistenzarzt am Dortmunder Universitäts-Klinikum nicht zu machen.“ Und bei der damals üblichen Vergütung von vielleicht vier Pfennigen pro Kilowattstunde, in Zeiten vor dem „alten“ Stromeinspeisungsgesetz aus dem Jahr 1991, war absehbar, dass Walters mit seinem Hobby nicht reich werden würde.
Mit viel Zeit, Muskelkraft und Ideenreichtum sowie Unterstützung seines bereits pensionierten Vaters, Hans Walters, hatte er gerade die Rüthener Mühle wieder in Gang gebracht, da eröffnete sich Walters die Chance, ein zweites Wasserkraftwerk einen Kilometer entfernt zu übernehmen. „Um mir diesen Spaß überhaupt leisten zu können, habe ich als Arzt Überstunden gemacht, gelegentlich für Dortmunder Fachärzte die Nachtschicht oder Wochenendnotdienste übernommen. Da habe ich immer gerechnet: Eine Nachtschicht bringt 500 bis 600 Mark, was in etwa eine neue Bohrmaschine ausmachte“, erzählt Walters mit großer Begeisterung.
Eine Anlage folgte auf die andere
Der Wasserkraft-Virus hatte ihn jedenfalls gepackt. Mit der von ihm gegründeten Sauerländer Wasserkraftwerke GmbH kaufte er in den Folgejahren weitere alte Wasserkraftwerke an Lenne, Diemel, Bigge, Ruhr und Möhne.
Um die Anlagen zu sanieren und wirtschaftlich betreiben zu können, hielt Walters stets an einem Grundsatz fest: Im gesamten Bundesgebiet schaute er sich nach passenden Ersatzteilen wie Turbinen oder Generatoren um – und wurde oft fündig. Die Turbine für sein erstes Wasserkraftwerk fand der Mediziner, der heute noch als Betriebsarzt tätig ist, übrigens tief im Süden, am Ammersee westlich von München. Nicht nur dieses im Laufe der Jahrzehnte gewachsene Netzwerk half ihm bei der Reaktivierung seiner „alten Schätzchen“: „Wenn es nicht anderes geht, fertigen wir mit unseren vier festangestellten Mitarbeitern die notwendigen Komponenten selbst an.“
Engagement für die Wasserkraft
Walters ist seit Jahren nicht nur eine bekannte Größe im Sauerland, sondern auch in der Wasserkraftbranche in Nordrhein-Westfalen. „Bernd Walters, eigentlich Arzt mit über lange Jahre eigener Praxis, hat sich daneben mit großer Akribie in viele Details der Wasserkraft eingearbeitet und ein beeindruckendes eigenes Kraftwerksportfolio aufgebaut“, zollt Michael Detering, selbst Wasserkraft-Fan und -Dozent, seinem Wirken „großen Respekt“. „Vor allem aber schätze ich ihn als warmherzige Persönlichkeit mit scharfem Verstand und großen Menschenfreund.“
„Eine echte Type“ nennt ihn Hans-Josef Vogel. Der frühere Regierungspräsident für den Regierungsbezirk Arnsberg und seit knapp zwei Jahren Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) hat Bernd Walters über Jahre hinweg quasi als Nachbarn erlebt. „Er zeigt nicht nur eindrucksvoll, was ein einzelner Bundesbürger für die Wasserkraft tun kann, er zeigt auch, dass die Sanierung alter Anlagen und Wehre lohnenswert ist“.
Walters: Landesregierung NRW tut zu wenig für Wasserkraftwerke
Genau diese Einsicht vermisst Bernd Walters, der bei seinem „Wasserkraft“-Hobby mittlerweile von seinem 29-jährigen Sohn Jost unterstützt wird, bei der Düsseldorfer Landesregierung: „Die zuständigen Minister halten sich bei der Wasserkraft raus, womit die einzelnen Bezirksregierungen bei den Genehmigungsverfahren ein viel zu großes Gewicht haben.“
Unangenehm hat er vor allem die Kölner Bezirksregierung in Erinnerung. Wenige Jahre nach der Jahrtausendwende hatte Walters zusammen mit einem Kompagnon gleich sieben ältere Wasserkraftwerke an der Agger im Oberbergischen Land übernommen – sein bis dahin größter Coup. „Von der Bezirksregierung ist uns damals signalisiert worden, dass sie diese in ihren Augen veritablen Fischhäckselmaschinen nicht mehr in Betrieb sehen wollten“, erzählt Walters. In der Folge sah er sich mit immer mehr Auflagen und Forderungen nach neuen Gutachten konfrontiert. Das Ende vom Lied: Wolters verkaufte seiner Agger-Kraftwerke wieder.
Dass in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr nach einer Auswertung des Marktstammdatenregisters durch den LEE NRW nicht eine einzige Wasserkraftanlage neu ans Netz gegangen ist, kann der Wasserkraft-Enthusiast nicht nachvollziehen. „Im Gegensatz zur Wind- und Solarenergie ist die Wasserkraft grundlastfähig. Bei der Erzeugung gibt es zwar jahreszeitliche Schwankungen, aber keine Dunkelflauten, sprich Zeiten, an denen weder der Wind geweht noch die Sonne geschienen hat.“ Seine Anlagen seien, erzählt Walters, von Anfang Dezember vergangenen Jahres bis in diesen März Volllast gelaufen: „Im gleichen Zeitraum hat es tagelange Dunkelflauten gegeben, die zeitweise zu deutlich erhöhten Preisen an der Strombörse geführt haben.“
Der Wasserkraft wird Bernd Walters treu bleiben. Auch den Kauf weiterer älterer Wasserkraftwerke schließt er nicht aus: „Wenn alles passt, warum nicht!“
Autor: Ralf Köpke | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH