Kraftwerksstrategie der Bundesregierung: BEE fordert „ganzheitliche Flexibilität“

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) befürchtet, dass neue Gaskraftwerke Fehlinvestitionen sind und die Bürger:innen teuer zu stehen kommen.Foto: Kara / stock.adobe.com
Braucht Deutschland neue Gaskraftwerke, um ausreichend Strom in Windflauten produzieren zu können?
Der BEE mahnt die Bundesregierung, bei ihrer Kraftwerksstrategie zu bedenken, dass nicht nur Gaskraftwerke für Flexibilität sorgen können, sondern auch erneuerbare Energien, Speicher und flexible Verbraucher.

Im Januar dieses Jahres hatte die Bundesnetzagentur ihren Bericht zur Energieversorgungssicherheit vorgelegt. Darin empfahl die Behörde unter anderem die Entwicklung einer Kraftwerksstrategie. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) kündigte kurz darauf an, diese noch in der ersten Jahreshälfte 2023 vorlegen zu wollen. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) hat in einem Thesenpapier formuliert, worauf das BMWK dabei achten sollte.

Sorgen macht dem BEE vor allem, dass die Kraftwerksstrategie nun anscheinend losgelöst vom neuen Strommarktdesign betrachtet wird. Fachleute kritisieren immer wieder, dass die Preisbildung im Strommarkt – von der Merit Order bis zum den konstanten staatlich induzierten Preisbestandteilen – einer Steigerung der Flexibilität im Wege stehe.

Strommarkt und Kraftwerke müssen gemeinsam für mehr Flexibilität sorgen

Die Bundesregierung habe erkannt, dass eine Reform nötig sei und die Plattform Klimaneutrales Strommarktdesign (PKNS) ins Leben gerufen. Doch mit der schnellen Kraftwerksstrategie werde diesem Klimaneutralem Strommarktdesign nun womöglich vorgegriffen, fürchtet der BEE. Durch das Herauslösen aus dem Gesamtprozess riskiere der Gesetzgeber ein Missverhältnis zwischen Kraftwerksstrategie und den neuen Rahmenbedingungen des zukünftigen Strommarktes. Statt von Anfang an ein auf Erneuerbare Energien ausgelegtes System zu schaffen, würden neue Überkapazitäten an Gaskraftwerken und ein fossiler Lock-in mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten drohen. Der BEE drängt daher darauf, lieber eine ganzheitliche Flexibilitätsstrategie im Rahmen der PKNS zu erarbeiten.

Bereits heute existiere eine Vielzahl an dezentralen Flexibilitätsoptionen jenseits wasserstofffähiger Gaskraftwerke. Die Nutzung bereits vorhandener Potentiale sowie Entwicklung weiterer dezentraler Optionen solle im Hauptaugenmerk des politischen Handelns liegen.

Thesen des BEE zu Flexibilität und Kraftwerksstrategie

In seinem Thesenpapier formuliert der BEE einige Grundsätze, die er der Bundesregierung für ihre Kraftwerksstrategie mit auf den Weg gibt:

  • In einem klimaneutralen Stromsystem sei die Ergänzung dezentraler Erneuerbare Energien mit einem möglichst dezentralen statt einem zentralen Back-Up-System zielführender.
  • Statt neue Überkapazitäten an Gaskraftwerken zu schaffen, solle eine „no regret Strategie“ verfolgt werden; d.h. nur die zwingend notwendige Anzahl von Gaskraftwerken errichten, insofern der Bedarf nicht durch Erneuerbare Potentiale gedeckt werden kann.
  • Ein alleiniger Fokus auf wasserstofffähige Gaskraftwerke riskiere einen fossilen Lock-in sowie hohe Strompreise aufgrund der zunächst begrenzten Verfügbarkeit von (grünem) Wasserstoff.
  • Statt neuer Gaskraftwerke sollten laut BEE vorerst vor allem heimische Potentiale der Bioenergie genutzt werden, insbesondere durch eine Bewahrung und Flexibilisierung bestehender Biomasse-KWK-Anlagen.
  • Weitere dezentrale Flexibilitätspotentiale sollten ebenfalls gehoben werden. Dazu zählt der BEE Batterien und Speicher, Erneuerbare KWK, die Nutzung bivalenter Speicher, gezielte Sektorenkoppelung, steuerbare Wasserkraftanlagen und Geothermie sowie kleine, netzdienlich platzierte Elektrolyseure und Power-to-Heat-Anlagen.
  • Dezentrale und regional verankerte Erzeugerstrukturen (aktuell: Bioenergie und Wasserkraft, zukünftig: Geothermie) sollen genutzt werden. Sie trügen zur Versorgungssicherheit bei, steigerten zugleich die Resilienz im System und erlaubten das zielgerichtete Steuern im regionalen Kontext (z.B. bei Netzproblemen).
  • Die Grundlage für den flexiblen Einsatz sei die Betriebswirtschaftlichkeit der EE-Anlagen, welche angesichts fallender Marktwerte, wie sie im bestehenden Strommarktsystem zu beobachten sind, im neuen Strommarktdesign gewährleistet werden müssten.

Der Thinktank Agora Energiewende hat 2021 eine Simulationsstudie beauftragt (Veröffentlichung im Sommer 2022), die sich mit einem klimaneutralen Stromsystem für das Jahr 2035 befasst. Auch bei Einbeziehung verschiedener Flexibilitäten sieht die Studie wasserstofffähige Gaskraftwerke sowie den massiven Stromnetz-Ausbau als wesentliche Faktoren, um eine stabile und klimafreundliche Stromversorgung zu erreichen. Auch geografische Preissignale spielen dabei eine Rolle.

Zum kompletten Thesenpapier des BEE geht es hier.

26.4.2023 | Quelle: BEE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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