Versorger erwärmen sich für Solarthermie
Bezogen sich in den vergangenen Jahren die meisten Meldungen über neue solare Wärmenetze auf ländliche Solar-Bioenergiedörfer von Bürgerenergiegesellschaften, so beweist das Ludwigsburger Projekt nun endgültig, dass auch klassische Fernwärmebetreiber in urbanen Ballungsräumen Solarthermie als nachhaltige und kostengünstige Wärmequelle entdeckt haben.
Überzeugende Erträge
Energiekonzern ist zufrieden
Auch Berlin-Köpenick, wo der Vattenfall-Konzern direkt neben seinem Heizwerk seit einem Jahr eine 1000-m2-Flachkollektoranlage des dänischen Marktführers Arcon-Sunmark betreibt, hat sich inzwischen zur Pilgerstätte für Fernwärmeexperten entwickelt. Im Unterschied zu Senftenberg, wo die Kollektoren während des weit überwiegenden Teils ihrer Betriebsstunden in den mehr als 95 Grad heißen Vorlauf des zentralen Wärmenetzes einspeisen, fließt die Solarwärme in Köpenick ausschließlich in den kühleren Rücklauf.
Vorlaufeinspeisung ist bei Fernwärmebetreibern zwar in der Regel beliebter, der Effizienz der Kollektoren sind die niedrigeren Arbeitstemperaturen im Rücklauf freilich zuträglich. Und so kann auch Thomas Jänicke-Klingenberg, bei Vattenfall unter anderem verantwortlich für die beschlossene Dekarbonisierung der Fernwärme, auf sehr gute Betriebsergebnisse verweisen. 520 Megawattstunden (MWh) statt der erwarteten 440 MWh lieferte das Köpenicker Solarfeld im ersten Betriebsjahr. Es lag damit 18 Prozent über den Prognosen.
Die Themen, die den Energiekonzern Vattenfall umtreiben, der sein Berliner Wärmenetz bis 2030 kohlefrei und bis 2040 erdgasfrei betreiben will, stehen auch bei anderen Wärmeversorgern auf der Tagesordnung. Nach Vorgaben aus Brüssel müssen alle Fernwärmenetzbetreiber ab 2020 Jahr für Jahr den Anteil von erneuerbaren Energien im Netz um mindestens 1 Prozent steigern. Solarthermie steht deshalb bei immer mehr Versorgern auf der Agenda.
In städtischen Ballungsräumen erscheint zwar das Finden geeigneter Flächen fast immer als Problem. Allerdings gibt es dafür bei systematischer Flächensuche und frühzeitiger Beteiligung der maßgeblichen Behörden oft gute Lösungen. Für kleinere Anlagen findet sich – ähnlich wie in Köpenick – häufig schon auf Flächen der Versorger ein Plätzchen. So konnten die Stadtwerke Erfurt im Mai in unmittelbarer Nachbarschaft bestehender Fernwärmeleitungen gleich zwei Solarthermieanlagen einweihen. Mit einer Vakuumröhrenkollektoranlage (1155 m2) von Ritter XL und einem Flachkollektorfeld (550 m2) des österreichischen Anbieters Solid wollen sie testen, welche Technologie für künftig geplante, wesentlich größere Solarprojekte in Frage kommt.
Auch in Halle wird die Stadtwerke-Tochter Energieversorgung Halle (EVH) für die Solarisierung ihres Fernwärmenetzes eine eigene Fläche von rund einem Hektar verwenden, die bislang als Freilager für Materialien genutzt wurde. Für 374 Großflächenkollektoren ist darauf Platz, die zusammen eine Bruttokollektorfläche von 5091 m2 haben werden. Der Kommunalversorger sieht darin nur einen Anfang: „Die Größe der Anlage und deren Bedeutung für den Fernwärmebedarf bieten eine optimale Möglichkeit, für weitere Projekte Erfahrungswerte zu erwerben“, heißt es von Seiten der Stadtwerke-Pressestelle.
Integration in den Grüngürtel
Von den Stadtwerken Ludwigsburg-Kornwestheim, die jetzt die 14.800 m2 große Solarthermieanlage bauen, wurde das Flächenthema besonders elegant gelöst. Die 1088 Kollektoren pflanzen sie auf einer Altlasten-Fläche unweit ihres seit 10 Jahren existierenden Biomasse-Heizwerkes. Nicht nur die kurze Anbindeleitung spricht für diesen Standort. Vielmehr dient die künftige bunte Wiese zwischen den Kollektoren sogar als Lückenschluss für den geplanten Grüngürtel rings um Ludwigsburg. In dessen Verlauf wird auch ein Spazierweg mit Energielehrpfad am Kollektorfeld entlang geführt.
Dass im fortgeschrittenen Planungsstadium plötzlich streng geschützte Zaun- und Mauereidechsen auf der geplanten Solarfläche entdeckt wurden, durchkreuzte zwar die Zeitpläne. Die Verantwortlichen nahmen es allerdings als Herausforderung. Für die Reptilien wurden in der Nähe neue Habitate aus Steinen und Altholz geschaffen. So konnte nach gelungener Umsiedlungsaktion jetzt die ersehnte Baugenehmigung an die Stadtwerke erteilt werden. Und nach den Unterkünften der wärmeliebenden Reptilien wird die Sonne bald auch menschliche Habitate beheizen.
Text und Fotos: Guido Bröer
Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift Energiekommune 7/2919 in einem Sonderteil des Projektes Solnet 4.0 (twitter.com/solnetz)
5.7.2019 | Quelle: Energiekommune | solarserver.de © EEM Energy & Environment Media GmbH