Der Begriff Agri-Photovoltaik (Agri-PV) beschreibt die Doppelnutzung einer landwirtschaftlichen Fläche*. Neben der Erzeugung von Nahrungs- oder Futtermitteln bzw. nachwachsenden Rohstoffen wird auf der Fläche gleichzeitig Strom mit Hilfe von Photovoltaikanlagen erzeugt. Die landwirtschaftliche Nutzung der Fläche bleibt jedoch nach gängigen Definitionen vorrangig.
Die Überlegung Ackerflächen, Grün- und Weideland und Flächen von Sonderkulturen auch für die Stromerzeugung zu nutzen ist eine Reaktion auf die zunehmende Flächenkonkurrenz. Der Flächenverbrauch wird durch die energetische Nutzung von Flächen (Windkraft- sowie Photovoltaikfreiflächenanlagen, Anbau von Energiepflanzen für die Gewinnung von Biogas) im Zuge der Energiewende weiter zunehmen. Die Agri-Photovoltaik kann diesen Flächenkonflikt durch die Doppelnutzung entschärfen und gleichzeitig den Landwirt:innen eine zusätzliche Einkommensquelle ermöglichen. Daneben kann Agri-Photovoltaik durch Verschattung von Flächen einen positiven Effekt auf die Kulturen haben und das Austrocknen der Flächen verhindern.
Wie wird Agri-Photovoltaik definiert?
Es ist nicht ganz einfach eine Agri-PV-Anlage von einer normalen Freiflächen PV-Anlage abzugrenzen. Daher wurden die Anforderungen an die landwirtschaftliche Hauptnutzung im Bereich der Agri-PV von einem Konsortium aus verschiedenen Unternehmen, Landwirten, Forschungseinrichtungen und Verbänden erarbeitet und in der in der DIN SPEC 91434 festgelegt. Die DIN SPEC 91434 bietet einen Standard den sich die unterschiedlichen Institutionen zu nutze machen können. Durch die Festlegung der Anforderungen an eine Agri-PV-Anlage soll auch das Risko von missbräuchlichen Agri-PV Systemen minimiert werden. Die DIN SPEC 91434 bezieht sich auf die pflanzliche Erzeugung. Ganz neu ist die im Juni veröffentlichte DIN SPEC 91492, die sich speziell auf die Nutztierhaltung in Agri-PV-Anlagen bezieht und die Anforderungen an diese Bewirtschaftungsform definiert. Diese Norm baut auf der DINSPEC 91434 auf und ist als Ergänzung zu sehen.
In der DIN SPEC 91434 gibt es zwei unterschiedliche Agri-PV-Systeme. Kategorie 1 sind hochaufgeständerte Anlagen, die eine Bewirtschaftung unter den Modulen ermöglicht. In Kategorie 2 ist nur eine Bewirtschaftung zwischen den Modulreihen erlaubt z.B mit den gewöhnlichen Modultischen (auch mit Nachführung) oder senkrecht aufgeständerte Anlagen. In der Norm wird auch definiert, wie hoch der Flächenverlust an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche bei den jeweiligen Anlagensystemen sein darf: In Kategorie 1 darf der Verlust durch Aufbauten und Unterkonstruktionen höchstens 10 % der Gesamtprojektfläche betragen. In Kategorie 2 darf der Verlust höchstens 15 % betragen. Auch die Effizienz der Landnutzung wird festgelegt. So soll sichergestellt werden, dass auf der Gesamtprojektfläche nach Bau der Agri-PV-Anlage mindestens 66 % des Referenzertrages erwirtschaftet wird.
Neben der DIN SPEC 91434 hat die Bundesnetzagentur Anforderungen an die Flächen für besonderen Solaranlagen, unter die auch die Agri-Photovoltaik fällt, im Oktober 2021 festgelegt, die bis heute für EEG-geförderte Anlagen gültig sind. Als besondere Solaranlagen gelten solche, die auf Ackerflächen errichtet werden, die kein Moorboden sind, mit gleichzeitigem Nutzplanzenanbau auf derselben Fläche. Oder auf Flächen, die kein Moorboden sind und auf denen die landwirtschaftliche Nutzung in Form von Dauerkulturen oder mehrjährigen Kulturen auf der gleichen Fläche erfolgt. Wenn die Agri-PV-Anlage auf Grünland (**) errichtet wird, welches kein Moorboden ist, und das gleichzeitig als Dauergrünland (***) genutzt wird gilt diese ebenfalls als besondere Solaranlage.
In dem im Mai 2024 in Kraft getretenen sogenannten Solarpaket 1 gibt zwei weitere Definitionen für die EEG-geförderte Agri-Photovoltaik, wenn diese an der Ausschreibung für besondere Solaranlagen teilnimmt. Die Agri-PV-Systeme, die in der DIN SPEC 91434 unter Kategorie 1 fallen müssen mindestens mit einer lichten Höhe von 2,10 Meter aufgeständert sein. Die in Kategorie 2 fallenden senkrechten Solarlanlagen müssen mindestens mit einer lichten Höhe von 0,80 m aufgeständert sein.
Ob Agri-PV-Anlagen (Kategorie 2), bei denen die Solarmodule verstellbar (Nachführung/Tracking) auf einem oder zwei Pfosten aufgeständert unter die geförderten besonderen Solaranlagen fallen, muß noch abschließend geklärt werden. In einem aktuellen Referentenentwurf zur Novelle des Energiewirtschaftsrechts will das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) auch diese Anlagen fördern.
Förderung für besondere Solaranlagen
Die Agri-Photovoltaik wird als besondere Solaranlage gesondert gefördert, wenn die oben genannten Vorraussetzungen erfüllt sind.
Besondere Solaranlagen über 1 MWp (Megawatt):
Besondere Solaranlagen über 1 MW müssen weiterhin an den EEG-Ausschreibungen des 1. Segments teilnehmen (§ 37d EEG). Die Ausschreibung für Solaranlagen des ersten Segmentes finden in den Jahren 2023 bis 2029 an den Gebotsterminen 1. März, 1. Juli und 1. Dezember statt.
Die Bundesnetzagentur führt ein zweistufiges Zuschlagverfahren für Solaranlagen des ersten Segmentes über 1 MWp ein. Dabei werden die besonderen Solaranlagen bevorzugt behandelt. In der ersten Zuschlagsrunde werden zuerst für die besonderen Solaranlagen die Zuschläge erteilt. Es ist ein genau definiertes Volumen für diese Anlagen pro Jahr festgesetzt worden, welches auf die Gebotstermine gleichmäßig verteilt wird und sich Jahr für Jahr erhöht.
Diese sind:
2024: 300 MW zu installierende Leistung
2025: 800 MW zu installierende Leistung
2026: 1200 MW zu installierede Leistung
2027: 1500 MW zu installierende Leistung
2028: 2000 MW zu installierende Leistung
2029: 2075 MW zu installierende Leistung
Erst danach werden die anderen Anlagen des ersten Segmentes berücksichtigt und zwar in Höhe des verbleibenden jeweiligen Auschreibungsvolumens für das jeweilige Jahr
Nach § 37 b Absatz 2 ist für besondere Solaranlagen bei den Ausschreibungen ein abweichender Höchstwert anzuwenden. Dieser liegt 2024 bei 9,5 Cent pro Kilowattstunde. Ab 2025 ergibt sich der Höchstwert aus dem um 8 Prozent erhöhten Durchschnitt der Gebotswerte des jeweils höchsten im Untersegment für besondere Solaranlagen bezuschlagten Gebotes der letzten drei Gebotstermine. Der Höchstwert beträgt aber höchstens 9,5 Cent pro Kilowattstunde. (EEG § 37b Absatz 2)
Besondere Solaranlagen unter 1 MWp:
Diese Anlagen erhalten einen höheren Vergütungssatz durch das EEG als reguläre Freiflächenanlagen. Der anzulegende Wert erhöht sich 2024 um 2,5 Cent/kW. (§ 48 Abs. 1b EEG).
Naturschutz
Geförderte Agri-Photovoltaik-Anlagen brauchen keine naturschutzfachlichen Mindestkriterien erfüllen (neu aufgenommen in § 37 Absatz 1a EEG 2023), wie sie für normale geförderte Freiflächenanlagen gelten. Es wird so argumentiert, dass Agri-Photovoltaik bereits durch die zusätzlichen Anforderungen eine bessere Vereinbarkeit von Landnutzung und Energieerzeugung leistet.
Anwendung von Agri-Photovoltaik
Die Möglichkeit der Integration von Agri-Photovoltaik in bestehende landwirtschaftliche oder gartenbauliche Systeme sind vielseitig. Besonders vielversprechend scheint die Überdachung von Sonderkulturen oder mehrjährigen Kulturen zu sein, sofern daraus eine höhere Wertschöpfung pro Fläche resultiert. Hier ist insbesondere der Anbau von Beeren oder Äpfeln sowie von schattentoleranten Gemüsekulturen zu nennen. Interessant ist der Einsatz von vertikal errichteten bifazialen Modulen auf Acker- oder Grünland. Die Modulreihen sind dabei in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet, so dass die PV-Module wechselweise von Osten und von Westen bestrahlt werden. Im Tagesverlauf erzielen sie auf diese Weise einen relativ gleichmäßigen Energieertrag ohne die sonst übliche Mittagsspitze. Dies zeigt bereits ein Projekt in Donaueschingen. Auch kommen sogenannte Tracker-Systeme zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Anlagen, bei denen die PV-Module ein-oder zweiachsig der Sonne nachgeführt werden. Diese Anlagen haben den Vorteil, dass sie die Bewirtschaftung zwischen den Modulreihen vereinfachen, da sie senkrecht gestellt werden können und damit das Durchfahren mit landwirtschaftlichen Geräten ermöglichen.
Der Einsatz der Agri-Photovoltaik in der Landwirtschaft oder im Gartenbau bietet viele neue Möglichkeiten, die im Einzelnen noch zu erforschen sind. Ob sich eine Agri-Photovoltaik-Anlage wirtschaftlich rechnet, hängt jedoch von vielen Faktoren ab, die im Einzelfall geprüft werden müssen.
Reform der gemeinsamen Agarpolitik EU 2023
Eine deutliche Verbesserung für Agri-PV bringt die Reform der Europäischen Agrarsubventionen. Nach der bereits Ende 2022 verkündeten deutschen Verordnung zu den GAP-Direktzahlungen, gilt eine Fläche weiterhin als landwirtschaftlich genutzt, wenn sich landwirtschaftlich genutzte Fläche durch die PV-Anlage um nicht mehr als 15 Prozent verringert. Konsequenterweise sollen Landwirte für Flächen mit solchen Agri-PV Anlagen ab 2023 weiterhin bis zu 85 Pozent der Agrarsubventionen erhalten. Voraussetzung ist, dass die Fläche weiterhin mit den üblichen landwirtschaftlichen Maschinen und Verfahren bearbeitet werden kann. Für hoch aufgeständerte Anlagen unter denen gewirtschaftet wird, darf sich die Fläche dabei nur um 10 Prozent verringern. Eine bodenahe Agri-PV-Anlage darf 15 Prozent der Fläche blockieren, ohne dass sie die landwirtschaftliche Subvention gefährdet. Ab 2025 gilt eine neue Regelung: den Landwirten wird nur noch der genaue Flächenverlust von den Direktzahlungen abgezogen, da gerade hoch aufgeständerte Anlagen viel weniger landwirtschaftlich genutzen Fläche benötigen und daher 15 % zu hoch angesetzt sind.
Landschaftsbild und Akzeptanz
Dass auch die Agri-Photovoltaik das Landschaftsbild verändert, ist nicht zu leugnen. Im Gegensatz zu den klassischen Freiflächenphotovoltaikanlagen ist die Bebauung mit Modulen jedoch in einigen Spielarten der Agri-Photovoltaik nicht so konzentriert. Zu nennen ist beispielsweise der Einsatz von vertikalen Modulen. Bei Befürwortern der kombinierten Flächennutzung besteht daher die Hoffnung, dass Agri-Photovoltaik die Akzeptanz für Freiflächenphotovoltaik in der öffentlichen Meinung stärken könnte – zumal das Argument einer Flächenkonkurrenz der Energieerzeugung zur Erzeugung von Lebens- oder Futtermittlen weitgehend entfällt.
In der Regel stehen die Menschen einem Erneuerbare-Energien-Projekt positiver gegegenüber, wenn sie bereits in der Planungsphase miteinbezogen werden. Pluspunkte kann eine Agri-Photovoltaikanlage auch gewinnen, wenn die Anlage so konzipiert ist, dass zusätzlich auch die Natur davon profitiert. Denkbar ist zum Beispiel, in diese Anlagen Blühstreifen zu integrieren. Da gilt es die entsprechenden Maßnahmen in den Eco-Schemes der Europäischen Union zu verankern, damit EU-Direktzahlungen auch für agriphotovoltaisch genutzte Flächen fließen können.
*nach EU-Verordnung Nr. 1307/2023, Artikel 4 (1)(e)[1])
** Grünland darf nicht in einem Natura 2000-Gebiet im Sinn des § 7 Abs. 1 Nr. 8 des Bundesnaturschutzgesetzes liegen und kein Lebensraumtyp sein, der in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7), die zuletzt durch die Richtlinie 2006/105/EG (ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 368) geändert worden ist.
*** Dauergrünland im Sinne der Verordnung (EU) 2021/2115 des Europäischen Parlaments und des Rates
Aktuelle Meldungen zum Thema Agri-Photovoltaik finden Sie auf dem Solarserver unter diesem Link.
Autorin: Ute Meyer-Heinemann
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Die Autorin: Ute Meyer-Heinemann ist Agraringenieurin und Buchautorin. Seit vielen Jahren widmet sie sich den erneuerbaren Energien. Sie verantwortet das Marketing der Solarthemen Media GmbH.