Noch steckt die Kreislaufwirtschaft in der Photovoltaikbranche in den Kinderschuhen. Zugleich wächst das Aufkommen an ausrangierten PV-Modulen Jahr für Jahr auf neue Höchststände. Deutschland und Europa haben Vorschriften zum Recycling der Alt-PV. 80 Prozent müssen wiederverwertet werden.
Mit dem weltweiten Wachstum der Photovoltaik steigt auch die Notwendigkeit, Entsorgungslösungen für die Technologie zu schaffen. Denn mehr und mehr Module erreichen derzeit das Ende ihrer Lebensdauer von 20 bis 35 Jahren. Für 2030 rechnen Prognosen mit einem Abfallaufkommen in Deutschland von einer Million Altmodulen im Jahr.
Recyclingquote: 80 Prozent
In der EU fallen alte PV-Module seit 2015 unter die Waste Electrical and Electronic Equipment Directive (WEEE). In Deutschland setzt das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) diese Vorgaben um. Dort wird die Alt-PV in die Kategorien 4 (große Module mit einer Seitenlänge größer als 50 cm) sowie 5 (kleinere Module) und die Sammelgruppe 6 integriert.
Die gesetzlichen Vorschriften sehen vor, dass mindestens 85 Prozent ausrangierter PV-Module gesammelt werden müssen und mindestens 80 Prozent recycelt. Laut einer Studie der Europäischen Umweltagentur erfüllten 2021 aber nur einige EU-Staaten die vorgeschriebene 80-Prozent-Quote bei der Recycling der Photovoltaik. Darunter waren neben Deutschland auch Belgien, Frankreich, Österreich, Spanien, Slowakei und Portugal.
Attraktiver Silbergehalt
Dazu kommt: weil Glas am Gesamtgewicht eines Moduls einen Anteil von rund 70 Prozent hat und die Aluminiumrahmen von etwa 13 Prozent wird die Pflicht bereits erfüllt, wenn lediglich diese beiden Fraktionen recycelt werden. So wichtig das ist; wertvolle Rohstoffe wie Kupfer, Silber und Silizium bleiben häufig außen vor. Silizium hat einen Anteil von 3 bis 5 Prozent an den Modulen. Das Edelmetall Silber kommt auf 0,1 Prozent, macht aber rund 50 Prozent des Restwertes eines PV-Moduls aus. Kunststoffe stellen weniger als zehn Prozent des Gesamtgewichts, sind aber wegen ihrer geringen Sortenreinheit bisher nur schwer zu recyceln.
Verantwortlich für Rücknahme und Entsorgung sind die Modulproduzenten und/oder die Inverkehrbringer. Sie sind verpflichtet, sich dafür bei der Stiftung „Elektro-Altgeräte-Register“ (EAR) zu registrieren. Sie tragen auch die Kosten des Recyclings, das sie meist bei einem Spezialisten in Auftrag geben. Das betrifft seit 1.7.2023 auch den Online-Handel. Internet-Handelsplattformen, die PV-Module und Systeme anbieten, müssen sicherstellen, dass diese tatsächlich bei der EAR gemeldet sind. Die Entsorgungskosten lagen 2023 Branchenangaben zufolge bei rund 200 Euro je Tonne.
Keine Kosten für Endkunden
Privatpersonen können alte PV-Module kostenlos – wie sonstigen Elektroschrott auch – bei den kommunalen Wertstoffhöfen abgeben.
Damit können sich Endkunden darauf verlassen, das Dritte für die ordnungsgemäße Entsorgung der Alt-Module sorgen. Das gilt allerdings nur für Module, die vor dem 24.10.2015 in Verkehr gebracht wurden – dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der WEEE-Richtlinie. Alle älteren Anlagen gelten laut ElektroG als „historische Altgeräte“. Für ihre fachgerechte Entsorgung muss der Letztbesitzer selbst Verantwortung tragen.
Von der Rücknahmepflicht betroffene Akteure können sich entweder selbst um Entsorgungswege kümmern oder sich Dritten anschließen wie der Organisation PV Cycle. Sie operiert seit 2007 und hat ihren Sitz in Brüssel. Sie kümmert sich für Inverkehrbringer und Abfallunternehmen um die Registrierung sowie Abwicklung von Sammlung und Recycling der Photovoltaik. Die Non-Profit-Organisation ist dabei in der EU sowie in Großbritannien tätig und hat rund 300 Mitglieder. Wie aus dem jüngsten Jahresbericht (2023) hervorgeht, waren die gesammelten Volumina an PV-Modulen in den vergangenen Jahren bei PV Cycle rückläufig. 2021 hatte das Aufkommen ausrangierter PV-Module eine Rekordhöhe von 17.000 Tonnen erreicht. 2023 waren es nur 14.500 Tonnen gewesen. Im Zeitraum 2011 bis 2023 hat PV Cycle insgesamt 92.000 Tonnen gesammelt. Sie repräsentieren eine Leistung von 1,5 Gigawatt (GW).
Änderungen für die Recycler brachte 2022 die Elektro- und Elektronik-Altgeräte-Behandlungsverordnung (EAG-BehandV). Seitdem dürfen bei der Behandlung von klassischen kristallinen Silizium-Solarmodulen in der Glasfraktion nur ein Bleigehalt von 100 Milligramm sowie ein Selen- und Cadmiumanteil von einem Milligramm je Kilogramm (mg/kg) verbleiben. In den weiteren Fraktionen gelten für Selen und Cadmium ebenfalls ein mg/kg und für Blei 200 mg/kg. Für Dünnschichtmodule und solche mit Tandem- oder Mehrfach-Solarzellen legt die Verordnung noch deutlich strengere Schadstoffgrenzen fest.
Thermische, chemische und mechanische Verfahren
Beim Recycling-Prozess selbst geht es darum, die im Modul fest miteinander verbundenen Materialien zu separieren, also Aluminiumrahmen, Anschlussdose und Glas vom Laminat zu trennen. Das Laminat selber enthält die Kunststoffe, das Silizium und Silber. Nach Auskunft des Fraunhofer Instituts für kristalline Silizium-Photovoltaik (Fraunhofer CSP) kommen beim PV-Recycling prinzipiell thermische (Schmelzen), mechanische (Mahlen und Sieben) und chemische Verfahren (Lösungsmittel, Säuren, Laugen) zum Einsatz.
Bei Dünnschichtmodulen greifen Verwerter auf die Pyrolyse zurück. Dabei werden die PV-Reststoffe unter Ausschluss von Sauerstoff erhitzt, wodurch sie sich in verschiedene Gase und Feststoffe zersetzen. Eine weitere Technologie ist die Flotation – das Trennen von hydrophoben und hydrophilen Materialien durch Zugabe von Luftblasen.
Für das PV-Altglas gibt es je nach Recyclingprozess unterschiedliche Qualitätsstufen. Häufig kann es lediglich in der Bauindustrie als Glaswolle verwendet werden. Eine höherwertige Verwertung stellt der Einsatz als Behälterglas da.
Neue Akteure
Zu den auf das Recycling der Photovoltaik spezialisierten Unternehmen zählt in Deutschland die Reiling GmbH & Co KG aus Marienfeld. Sie baut in Münster eine Fabrik zur Aufbereitung alter PV-Module mit einer Kapazität von potenziell 50.000 Tonnen im Jahr auf. Das ist noch deutlich mehr als das Jahresaufkommen alter Module, das nach Schätzung des Fraunhofer CSP in Deutschland 2023 bei rund 10.000 Tonnen gelegen haben dürfte.
Ein relativ neuer Akteur in der heimischen PV-Recyclingszene ist die Magdeburger Solar Materials. Das Unternehmen nimmt für sich in Anspruch, ausschließlich mechanische Verfahren für das Recycling zum Einsatz zu bringen. Mit Ausnahme der Kunststoffe könne der patentierte Prozess 98 Prozent der Materialien wieder gewinnen. Wegen des im Vergleich zu chemischen und thermischen Verfahren geringeren Energieeinsatzes wirbt das Startup damit, das Recycling relativ günstig anzubieten. Auch kleinere Fabriken von 7.000 bis 15.000 Tonnen Jahreskapazität sollen so wirtschaftlich betrieben werden können.
Autor: Oliver Ristau
Foto: Reiling PV-Recycling GmbH & Co. KG